Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
solche Frauen, die nur Herzensbeziehungen suchen und denen ein kecker Mann wie der Tod verhaßt ist. Sie empfahlen ihm so ernstlich, nichts Irdisches und Grobes in seine Absichten einzumischen, daß er davon viel für seine Genesung erhoffte. Er glaubte ihnen aufs Wort und verwunderte sich gewaltig, daß es trotz der erhabenen Gespräche, in die sie ihn verwickelten, mit ihm dennoch beim Alten blieb. »Vielleicht wird meine Genesung nicht durch bloße Gespräche bewirkt,« sagte er zu sich selbst und lauerte auf eine Gelegenheit, sich in die Lage zu setzen, die das Orakel etwa erforderte. Sie kam. Eine junge Platonikerin, die über alles gern spazieren ging, führte ihn in ein abgelegenes Hölzchen. Hier war sie fern von allen Spähern, als ihr eine Ohnmacht ankam. Hilas warf sich über sie, tat, was er konnte, um ihr Erleichterung zu verschaffen, aber alle seine Anstrengung war umsonst. Die ohnmächtige Schöne merkte das so gut als er. »Ach, mein Herr,« sagte sie, indem sie sich seinen Armen entwand. »Was sind Sie für ein Mann! Ich gehe nie wieder mit Ihnen an einsame Orte, wo einem schlimm werden kann und man hundertmal sterben mag, ehe Hilfe kommt.«
»Andere erfuhren seinen Zustand, beklagten ihn, schwuren, der Zärtlichkeit, die sie für ihn empfänden, täte das keinen Abbruch, und sahen ihn niemals wieder.
Der unglückliche Hilas erregte mit dem schönsten Gesicht der Welt und den zartesten Empfindungen die Unzufriedenheit sehr vieler Frauen.«
»Weil er ein Gimpel war,« fiel der Sultan ein. »Warum wandte er sich nicht an eine Vestalin, wie es ihrer so viele in unsern Klöstern gibt? Die hätten einen Narren an ihm gefressen und er wäre unfehlbar durchs Gitter hindurch geheilt worden.«
»Gnädigster Herr,« versetzte Selim, »die Chronik erzählt, er habe auch dieses Mittel versucht und erfahren, daß man nirgends umsonst lieben will.« »So verzweifl’ ich an seiner Genesung,« erwiderte der Sultan. »Er verzweifelte auch daran, wie Ihre Hoheit,« fuhr Selim fort, »ward es überdrüssig, Versuche zu wiederholen, die zu nichts führten, und begab sich in eine Einöde, nachdem ihm eine unzählige Menge Frauenzimmer ihr Wort darauf gegeben hatten, daß er ein unbrauchbares Mitglied der menschlichen Gesellschaft wäre.«
Schon manchen lieben Tag irrte er so in der Wüste umher, als aus der Ferne Seufzer an sein Ohr drangen. Er horchte auf, das Seufzen dauerte fort, er ging dem Schalle nach und fand ein junges Mädchen, schön wie die Sterne, das Haupt auf die Hand gestützt, die Augen in Tränen gebadet und den übrigen Körper in einer traurigen nachdenklichen Stellung. »Was suchen Sie hier, mein Fräulein?« sagt er zu ihr, »ist denn diese Wüste für Sie geschaffen?« »Ja,« antwortete sie betrübt, »hier kann man wenigstens ganz nach seiner Bequemlichkeit traurig sein.« »Und worüber sind Sie betrübt?« – »Ach!« – »Reden Sie, Fräulein; was haben Sie?« – »Nichts.« – »Wie denn nichts?« – »Ganz und gar nichts, und das eben ist mein Kummer. Vor zwei Jahren war ich so unglücklich, eine Pagode zu beleidigen, die mir alles nahm. Es war freilich so wenig, daß das kein großer Beweis ihrer Macht ist. Seit dieser Zeit fliehen mich alle Männer und werden mich fliehen, hat die Pagode gesagt, bis sich einer findet, der mein Unglück kennt und sich doch mit mir befreundet und mich liebt, wie ich bin.«
»Was hör’ ich?« rief Hilas. »Der Unglückliche, den Sie jetzt zu Ihren Füßen sehen, hat gleichfalls nichts, und das ist ebenfalls seine Krankheit! Er war vor einiger Zeit so unglücklich, eine Pagode zu beleidigen, die ihm alles nahm, was er besaß, und ohne Ruhmredigkeit: das war etwas. Seit der Zeit fliehen ihn alle Weiber und werden ihn fliehen, sagt die Pagode, bis er eine findet, die sein Unglück kennt und sich doch mit ihm befreundet und ihn liebt, wie er ist.«
»Ist das möglich?« fragte das junge Mädchen. »Was Sie mir sagten, ist es die Wahrheit?« fragte Hilas. »Sehen Sie selbst,« antwortete das Mädchen. »Sehen Sie selbst,« antwortete Hilas.
»Sie überzeugten sich gegenseitig, so daß kein Zweifel mehr sein konnte, daß sie beide Gegenstand des himmlischen Zorns waren. Ihr gemeinschaftliches Unglück vereinigte sie. Iphis, so hieß das Mädchen, war für Hilas gemacht, Hilas für Iphis. Sie liebten sich platonisch, wie Sie sich leicht denken können, denn sie konnten sich nicht anders lieben. Aber sogleich nahm auch der Zauber ein Ende; sie stießen
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