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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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halb geschlossen, die Hände über der Weste gefaltet, den Kopf halbschräg, ohne Bewegung in Gesicht und Haltung, scheinbar teilnahmslos. Es wäre Martin lieber gewesen, erhätte unterbrochen, Fragen gestellt; aber er unterbrach nicht. Auch als Martin zu Ende war, schwieg er. Liselotte schaute gespannt auf Jacques Lavendel. Sie war mehr gespannt als betrübt. Martin, so lieb es ihm war, daß es sie nicht tiefer getroffen hatte, dachte mit Bitterkeit: Sie nimmt es nicht ernst. Sie nimmt meine Sache nicht ernst. Man müht sich ab und hat keinen Dank. Jacques schwieg beharrlich. Bis Martin endlich fragte: »Nun, was meinen Sie dazu, Jacques?« – »Gut, gut«, sagte Jacques Lavendel und nickte mehrmals mit dem Kopf. »Ich finde es gut, sage ich. Nur schade, daß ihr es nicht schon lange gemacht habt. Und noch mehr schade, daß ihr es nicht zu Ende gemacht und diesen Wels hereingenommen habt.«
    »Wieso?« fragte Martin. Er bemühte sich, gehalten zu sprechen; doch sowohl Liselotte wie Jacques Lavendel bemerkten den Ärger über den Einwand. »Glauben Sie, wir haben nur mehr so kurze Zeit? Ich kenne diese Leute. Er wird unverschämt, sowie wir zusagen. Sie wissen, daß wir beim Warten nur gewinnen können.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sagte Jacques Lavendel und wiegte den großen, rotblonden Kopf. »Ich bin kein Prophet, ich will beileibe nicht sagen, daß ich ein Prophet hin. Aber waren nicht immer alle zu spät? Es kann noch sechs Monate dauern, es kann noch ein Jahr dauern. Wer kann wissen, wie lange es dauert? Aber wenn wir Schlamassel haben, dann kann es auch vielleicht nur zwei Monate dauern.« Er rückte unversehens den Kopf gerade, richtete die kleinen, tiefliegenden Augen auf Martin, blinzelte ihm schlau zu, erzählte, in einem auffallend frischen, trockenen Ton: »Siebzehnmal hat Grosnowice seinen Besitzer gewechselt. Siebenmal waren dabei Pogrome. Dreimal haben sie einen gewissen Chajim Leibelschitz hinausgeführt und haben ihm gesagt: ›So, jetzt erhängen wir dich.‹ Alle haben zu ihm gesagt: ›Sei gescheit, Chajim, geh fort aus Grosnowice.‹ Er ist nicht fortgegangen. Auch wie sie ihn das viertemal hinausgeführt haben, haben sie ihn nicht erhängt. Aber sie haben ihn erschossen.«Er war zu Ende, er hielt den Kopf wieder schräg, zog die Lider weit über die blauen Augen.
    Martin Oppermann kannte die Geschichte, er ärgerte sich. Auch Liselotte hatte die Geschichte schon einmal gehört, aber sie hörte sie auch das zweitemal mit Interesse.
    Martin zog seinen Zwicker heraus, putzte daran herum, steckte ihn wieder ein. »Wir können ihm schließlich die Oppermannschen Läden nicht nachschmeißen«, sagte er, und seine braunen Augen sahen keineswegs mehr schläfrig aus. »Nun, nun«, begütigte Jacques, »ich sage ja, daß es gut ist, daß ihr das gemacht habt. Übrigens, wenn ihr wirklich amerikanisches Geld in die Sache kriegen wollt, ich erbiete mich, daß ich es in acht Tagen so manage, daß euch keiner mehr heran kann. Und es soll kein Mensch reden können von ›Hinschmeißen‹«, lächelte er.
    Man hatte schon mehrmals den Gedanken erwogen, das Möbelhaus Oppermann auf Jacques Lavendel zu übertragen, der rechtzeitig die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben hatte; aber man war aus vielen Gründen davon abgekommen. Merkwürdigerweise führte Martin von diesen vielen sachlichen Gründen jetzt keinen an. »Lavendel wäre kein guter Name für unsere Geschäfte«, sagt er vielmehr, unsachlich, ziemlich bösartig. »Ich weiß«, erwiderte friedfertig Jacques. »Davon war ja auch meines Wissens nie die Rede«, lächelte er.
    So ganz einfach war die Umwandlung der beiden Filialen in die Deutschen Möbelwerke nun doch nicht. Eine Menge Details wollten besprochen sein, Jacques Lavendel wußte manchen nützlichen Fingerzeig. Martin mußte zugestehen, daß Jacques der Findigere war. Er bedankte sich, Jacques stand auf, verabschiedete sich mit langem, kräftigem Händeschütteln. »Auch ich danke Ihnen herzlich«, sagte Liselotte nachdrücklich mit ihrer kräftigen, dunklen Stimme.
    »Ich verstehe nichts von euren Geschäften«, sagte sie zu Martin, als Jacques weggegangen war. »Aber warum, wenn du diesen Wels schon einmal hereinnehmen willst, tust du es wirklich nicht gleich?«Gustav Oppermann hatte den Vormittag über mit Dr. Frischlin gearbeitet. Dr. Klaus Frischlin, ein dünner, langer Mensch mit schlechtem Teint und spärlichem Haarwuchs, aus vermögender Familie stammend, hatte

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