Die Gesellschaft des Abendsterns
sehe.«
»Ich kann dich nicht blind für die Gefahren, die dir vielleicht begegnen werden, dort hineinschicken«, wandte Errol ein.
»Lassen Sie mich es machen.« Seth nahm das Fläschchen von Errol entgegen. Das unbehandelte Auge fest zugekniffen, gab Seth vorsichtig einen winzigen Tropfen auf die Wimpern. Blinzelnd verzog er das Gesicht und knurrte. »Und natürlich ist die einzige Person, die diese Tropfen nicht bräuchte, zu alt, um zu helfen.«
Kendra zuckte die Achseln.
»Ich benutze die Tropfen jeden Morgen«, sagte Errol. »Man gewöhnt sich daran.«
»Vielleicht nachdem die Nerven abgestorben sind«, meinte Seth und wischte sich weitere Tränen ab. »Was jetzt?«
Errol hob eine leere Hand. Seine Finger zuckten kurz – und er hielt einen Garagentüröffner in der Hand. »Geh durch die Garage hinein«, sagte Errol. »Die Tür von der Garage zum Haus dürfte wahrscheinlich unverschlossen sein. Wenn sie es nicht ist, öffne sie mit Gewalt. Sobald du drinnen bist, wirst du links neben der Tür eine Tastatur sehen. Zusätzlich zu den Schutzzaubern verfügt das Beerdigungsunternehmen
über ein konventionelles Sicherheitssystem. Gib sieben, eins, null, neun ein und drück dann auf Enter.«
»Sieben, eins, null, neun, Enter«, wiederholte Seth.
»Woher wissen Sie das?«, erkundigte sich Kendra.
»Ich habe es auf die gleiche Weise in Erfahrung gebracht wie die Information, dass Archibald nicht da ist«, antwortete Errol. »Spionage. Ich würde Seth nicht unvorbereitet dort hineinschicken. Was denkst du, was ich die ganze Zeit über getrieben habe, seit ich mich das erste Mal mit dir in Verbindung gesetzt habe?«
»Wie finde ich die Statue?«, fragte Seth.
»Ich vermute sie am ehesten unten im Keller. Mit dem Aufzug neben der Aufbahrungshalle kannst du hinunterfahren. Wenn du dich nach dem Eintreten nach rechts wendest, kannst du ihn nicht verfehlen. Du musst nach einer krötenähnlichen Statue suchen, nicht viel größer als meine Faust. Sehr wahrscheinlich gut sichtbar aufgestellt. Schau vor allem in verbotenen Bereichen nach. Wenn du die Statue gefunden hast, füttere sie hiermit.« Errol hielt einen Hundekuchen in der Form eines Knochens hoch.
»Ich soll die Statue füttern?«, fragte Seth zweifelnd.
»Solange du sie nicht gefüttert hast, wird sich die Statue nicht bewegen lassen. Füttere sie, heb sie hoch, bring sie hier zu uns ins Auto, und ich werde euch nach Hause fahren.« Errol reichte Seth den Toröffner und den Hundekuchen. Außerdem gab er ihm noch eine kleine Taschenlampe mit, warnte ihn jedoch, sie nur zu benutzen, falls es absolut notwendig war.
»Wir haben noch nicht besprochen, was ich tue, wenn ich lebenden Toten über den Weg laufe«, gab Seth zu bedenken.
»Du rennst weg«, sagte Errol. »Wiederbelebte Leichen sind weder besonders schnell noch allzu beweglich. Du solltest keine Probleme haben, ihnen davonzulaufen. Aber geh
keine Risiken ein. Wenn du irgendwelchen untoten Widersachern begegnest, komm in den Bus zurück, Statue hin, Statue her.«
Seth nickte ernst. »Ich soll also einfach wegrennen, hm?« Der Plan schien ihn nicht völlig zufriedenzustellen.
»Ich bezweifle, dass du irgendwelche Probleme haben wirst«, versicherte Errol. »Ich habe das Grundstück gründlich ausgekundschaftet, und es gab keinerlei Hinweise auf Aktivitäten von Untoten. Müsste ein Kinderspiel sein. Rein und raus.«
»Du brauchst das nicht zu tun«, sagte Kendra.
»Keine Sorge, ich werde dir keine Vorwürfe machen, wenn mir das Gehirn ausgelutscht wird«, erwiderte Seth. Dann öffnete er die Tür und sprang hinaus. »Wobei ich natürlich nichts daran ändern kann, wenn du dir selbst welche machst.«
Seth lief über die Straße und ging auf das beleuchtete Schild zu. Ein paar Autos kamen ihm entgegen und blendeten ihn mit ihren Scheinwerfern. Seth wandte den Blick ab, bis sie vorüber waren. Dann kam er an einem kleinen Wohnhaus vorbei, das zu einem Friseursalon umgebaut worden war, und an einem größeren mit mehreren Zahnarztpraxen darin.
Obwohl er wusste, dass Kendra und Errol in der Nähe waren, befiel ihn beim Anblick des bedrohlich wirkenden Leichenschauhauses ein Gefühl der Verlassenheit. Als er sich nach dem VW-Bus umdrehte, konnte er weder Errol noch seine Schwester darin erkennen. Er wusste natürlich, dass sie ihn sehen konnten, deshalb versuchte er, möglichst unerschrocken zu wirken.
Hinter dem beleuchteten Schild lag ein großer Vorgarten mit fein säuberlich gestutztem Rasen
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