Die Gesellschaft des Abendsterns
und ordentlich geschnittenen Hecken, die nicht höher waren als Seths Knie.
Auf der dunklen Veranda standen unzählige große Topfpflanzen. Aus dem oberen Stockwerk ragten drei Balkons mit niedrigen Gittern. Alle Fensterläden waren fest verschlossen. Zwei kleine Türmchen mit Kuppeln darauf krönten das Herrenhaus, dazwischen ragten mehrere Schornsteine auf. Selbst wenn man von den Leichen absah, machte das Haus den Eindruck, als spuke es darin.
Seth erwog die Möglichkeit, umzukehren. Mit Errol und Kendra in ein Leichenschauhaus einzubrechen, hatte nach einem Abenteuer geklungen. Allein hineinzugehen fühlte sich eher wie Selbstmord an. Ein Haus voller Leichen hätte er wahrscheinlich noch verkraftet, aber er hatte in Fabelheim erstaunliche Dinge gesehen – Feen, Kobolde, Goblins und Monster. Er wusste, dass solche Dinge tatsächlich existierten und die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass er gerade dabei war, in eine waschechte Zombiehöhle hineinzuspazieren, die noch dazu einem echten Vampir gehörte – ganz gleich, wie Errol ihn genannt hatte.
Seth fingerte an dem Garagentoröffner herum. War es ihm wirklich so wichtig, den Klabauter loszuwerden? Wenn Errol ein Profi war, warum ließ er die Drecksarbeit dann von Kindern erledigen? Sollte nicht jemand mit mehr Erfahrung sich um diese Art von Problemen kümmern statt eines Sechstklässlers?
Wäre er ohne Begleitung gewesen, Seth hätte wahrscheinlich kehrtgemacht. Der Klabauter allein war die Sache nicht wert. Aber da waren zwei Leute, die ihn beobachteten, die von ihm erwarteten, dass er diese Sache durchzog, und sein Stolz gestattete ihm nicht zu kneifen. Er hatte einige beängstigende Mutproben bestanden: Er war mit seinem Fahrrad die steilsten Hügel hinuntergerast, hatte sich mit einem Jungen, der zwei Klassen über ihm war, geprügelt und lebende Insekten gegessen. Bei dem Versuch, eine Treppe aus
immer höher werdenden Holzpfählen zu erklimmen, wäre er beinahe ums Leben gekommen. Doch dies war bisher die schlimmste Probe, denn wenn man allein in eine Zombiehöhle spazierte, bedeutete das nicht nur, dass man sterben konnte, es bedeutete auch, dass man auf äußerst unschöne Weise sterben konnte.
Es kamen keine Autos mehr die Straße entlang. Seth drückte auf den Knopf des Öffners und rannte die Einfahrt entlang. Das Tor öffnete sich mit einem lauten Quietschen. Seth fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, sagte sich aber, dass niemand, der jemanden in eine Garage gehen sah, sich viel dabei denken würde. Natürlich wussten jetzt auch die Zombies in der Leichenhalle, dass er hier war.
Ein automatisches Licht erhellte die Garage. Der schwarze, mit Vorhängen versehene Leichenwagen trug wenig dazu bei, die Szene fröhlicher wirken zu lassen. Das Gleiche galt für die Ansammlung von ausgestopften Tieren auf einer Werkbank an einer Wand: ein Opossum, ein Waschbär, ein Fuchs, ein Biber, ein Otter, eine Eule, ein Falke – und in der Ecke ein riesiger schwarzer Bär, der aufrecht stand.
Seth betrat die Garage und tippte abermals auf die Taste. Das Tor schloss sich mit einem langgezogenen metallischen Ächzen. Er eilte zu der Tür, die in das Gebäude führte, und drehte den Knauf. Vorsichtig drückte Seth drückte die Tür auf. Sofort erschallte ein Piepton. Das Licht aus der Garage fiel in einen Flur.
Links von der Tür befand sich eine Tastatur, genau wie Errol es beschrieben hatte. Seth gab sieben, eins, null, neun ein und drückte auf Enter. Der Piepton verstummte. Und das Knurren begann.
Seth wirbelte herum. Die Tür stand noch immer offen, und das Licht aus der Garage fiel auf ein gigantisches Knäuel aus weißen Dreadlocks, das über den mit Teppich ausgelegten
Flur auf ihn zukam. Im ersten Moment dachte Seth, es wäre ein Ungeheuer. Doch dann begriff er, dass es sich um einen riesigen Hund handelte, der so dickes Fell hatte, dass einer seiner Vorfahren ein Wischmopp gewesen sein musste. Seth wusste nicht, ob das Tier überhaupt etwas sehen konnte, so dicht hing das zottelige Fell ihm über die Augen. Das Knurren ertönte immer noch, tief und beständig, die Art von Geräusch, die bedeutete, dass der Hund ihn jeden Augenblick angreifen konnte.
Seth musste eine schnelle Entscheidung treffen. Wahrscheinlich konnte er durch die Tür zurückspringen und sie hinter sich schließen, bevor der Hund ihn erreichte. Aber das hätte gleichzeitig das Ende seiner Suche nach der Statue bedeutet. Vielleicht geschah es Errol ja nur recht;
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