Die Gesellschaft des Abendsterns
immerhin hatte er sich als ziemlich lausiger Spion erwiesen.
Andererseits hielt er einen Hundekuchen in der Hand. Gewiss würde er für die Statue nicht den Ganzen brauchen. »Sitz«, befahl Seth ruhig, aber energisch und streckte die Hand mit dem Hundekuchen aus.
Der Hund verstummte und kam nicht mehr näher.
»Braver Hund«, sagte Seth und versuchte, unerschütterliches Selbstbewusstsein auszustrahlen. Er hatte gehört, dass Hunde Angst wittern konnten. »Und jetzt sitz«, fügte er hinzu und wiederholte seine Geste.
Der Hund gehorchte. Seth brach den Hundekuchen in zwei Stücke und warf ihm die eine Hälfte zu. Das Tier fing sie noch in der Luft auf. Seth hatte keine Ahnung, wie es durch all die Zotteln vor seinen Augen die Flugbahn der Leckerei hatte erkennen können.
Seth näherte sich dem Hund und ließ ihn an seiner Hand schnuppern. Eine warme Zunge leckte über seine Finger, und Seth kraulte dem Tier den Kopf. »Du bist ein braver Junge«, sagte Seth mit dieser speziellen Stimme, die für
Babys und Tiere reserviert war. »Du wirst mich nicht fressen, stimmt’s?«
Das automatische Licht in der Garage ging aus, und der Flur war wieder in Dunkelheit getaucht. Der einzige Lichtschimmer kam von einem winzigen grünen Lämpchen auf der Tastatur der Alarmanlage, aber er war so schwach, dass er nutzlos war. Seth erinnerte sich an die geschlossenen Fensterläden. Nicht einmal Mondlicht oder das Licht von dem beleuchteten Schild drangen ins Innere des Hauses. Nun, das bedeutete andererseits, dass man von draußen den Schein seiner Taschenlampe auch nicht sehen würde, und er konnte das Risiko nicht eingehen, dass sich in dieser undurchdringlichen Finsternis irgendwelche Zombies an ihn heranschlichen. Also schaltete er die Lampe ein.
Jetzt konnte Seth den Hund und den Flur wieder sehen. Er ging den Flur entlang zu einem großen Raum mit dicken Teppichen und schweren Vorhängen, dort schwenkte er den Strahl seiner Taschenlampe herum und hielt Ausschau nach etwaigen Untoten. Mehrere Sofas und Sessel und einige hohe Lampen säumten die Wände. Die Mitte des Raums war leer, wahrscheinlich damit die Trauernden dort beisammenstehen und einander trösten konnten. Auf einer Seite befand sich eine Stelle, von der Seth vermutete, dass dort der Sarg aufgebahrt wurde, damit man einen letzten Blick auf den Verblichenen werfen konnte. Als Opa und Oma Larsson vor gut einem Jahr gestorben waren, waren sie in einem ganz ähnlichen Raum aufgebahrt gewesen.
Mehrere Türen führten aus dem Raum hinaus. Über einer Doppeltür stand Kapelle geschrieben. Die anderen Türen hatten kein Schild. Ein Messinggitter versperrte den Zugang zu einem Aufzug, und ein Schild darüber verkündete: Nur für befugtes Personal .
Der Hund folgte Seth, als er durch den Raum auf den Aufzug
zuging. Als Seth das Gitter zur Seite schob, faltete es sich zusammen wie ein Akkordeon. Seth trat in den Aufzug und schloss das Gitter wieder, so dass der Hund ihm nicht folgen konnte. Aus der Wand ragten schwarze Knöpfe, die sehr altmodisch aussahen. Die Etagenknöpfe waren mit K , 1 und 2 beschriftet. Seth drückte auf K .
Der Aufzug bewegte sich schaukelnd nach unten und klapperte dabei so laut, dass Seth sich fragte, ob er wohl durchhalten würde. Durch das Gitter konnte Seth die Wand des Aufzugschachts vorbeiziehen sehen. Dann verschwand die Wand des Schachts. Mit einem letzten Quietschen nahm die Fahrt ein abruptes Ende.
Ohne das Gitter zu öffnen, mit einer Hand in der Nähe der Aufzugknöpfe, leuchtete Seth mit der Taschenlampe den Raum aus. Er wollte auf keinen Fall von Zombies in einem Aufzug in die Enge getrieben werden.
Es schien sich um den Raum zu handeln, in dem die Leichen vorbereitet wurden. Er war erheblich weniger elegant als der Salon im Erdgeschoss. Seth sah einen Arbeitstisch und einen Tisch mit Rädern, auf dem ein Sarg stand. Ferner befanden sich in dem Raum zahlreiche Lagerschränke und ein großes Spülbecken. Seth schätzte, dass der Sarg nur mit knapper Not in den Aufzug hineinpasste. An einer Seite des Raums befand sich etwas, das er für eine große Kühleinheit hielt. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, was dort aufbewahrt wurde.
Er sah keine Statuen, weder froschähnliche noch andere. Auf einer Tür gegenüber dem Aufzug stand Privat. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass der Raum zombiefrei war, schob Seth die Gittertür auf. Angespannt stieg er aus, bereit, beim geringsten Anlass in den Aufzug
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