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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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kurzen Abständen. Baby T spürte, daß ihre rechte Gesichtshälfte bereits taub war.
    «Ich sagte, du sollst ihn bedienen!»
    «Niemals!»
    Poisons Gesichtszüge entspannten sich. Maami Broni wußte, jetzt wurde es gefährlich. Seltsame Erinnerungen schienen ihm durch den Kopf zu gehen. Er löste den Ledergürtel seiner Hose und zog ihn in gleichmäßigem Rhythmus aus den Gürtelschlaufen.
    Baby T spürte nur den ersten Hieb, auf ihrer Schulter. Sie stellte sich einfach vor, der Rest ihres Körpers sei genauso taub wie ihre rechte Gesichtshälfte. «Wage es nicht noch einmal, mir zu widersprechen!» warnte er sie, als er fertig war. Baby T hörte den Satz nur ganz schwach. Sie fühlte sich verloren. Sie bemerkte ein seltsames Geräusch in ihrem linken Ohr und eine bizarre Stille im rechten.
    Sie hockte zusammengekauert in einer Ecke, als Maami Broni und Onko den Raum betraten. Ihre dünne Bluse war naß von Tränen und klebte am Körper. Sie brachte kein Wort heraus. Maami Broni verließ das Zimmer. Sie ließ Onko mit Baby T allein im Zimmer und schloß die Tür von außen ab. Dann setzte sie sich neben der Tür auf einen Stuhl. Onko sollte an die Tür klopfen, wenn er fertig war.
    Das Klopfen kam etwas zu früh und etwas zu heftig. Der Mann hat also aufgegeben, überlegte sie. Sie öffnete die Tür. Onko kam nicht heraus, wie sie erwartet hatte. Er winkte sie hinein.
    Baby T lag mit gespaltenem Schädel auf dem Betonboden. Vor Maami Bronis Augen erschien das Bild eines gespaltenen Steins, aus dem Blut tropfte. Ein Stein, der gegen Stahl geschlagen worden war.
    Baby T war tot.

Epilog
     
     
     
    Fofo hatte sich inzwischen erfolgreich um eine Wiedereingliederungs-Maßnahme beworben. Die Testergebnisse aus dem Krankenhaus lagen noch nicht vor, aber sie wußte, daß MUTE für sie dasein würde. Das war tröstlich. Sie konnte jetzt offen um ihre Schwester trauern. Auch das tat gut.
    Sylv Po stellte Nachforschungen bei den Verbänden, Organisationen und dem Justizministerium an. Er hatte schon im Vorfeld recherchiert, daß es innerhalb der aktuellen Gesetzgebung keinerlei Möglichkeiten gab, Eltern davon abzuhalten, weitere Kinder in die Welt zu setzen, auch wenn sie nachweislich nicht in der Lage waren, für diese zu sorgen. Auf dem Agbogbloshie-Markt interviewte Sylv Po dazu eine Frau, die sich damit brüstete, daß sie bereits neun Kinder im Alter zwischen ein und vierzehn Jahren hatte und sie sich jetzt schon auf ihr zehntes freute.
    Auf die Frage, wie sie die neun Kinder ernähre, zuckte sie nur mit den Schultern und antwortete: «Sie sind da. Der liebe Gott wird’s schon richten.» Und zu dem Ansinnen einer gesetzlichen Regelung sagte sie nur schnippisch: «So ein Blödsinn! Die Kinder haben heutzutage keinen Respekt mehr. Am Ende verklagen Kinder noch die Eltern, wenn sie miteinander schlafen?» Von Maami Broni gab es gegenüber Harvest FM weitere Enthüllungen.
    Noch in der gleichen Nacht hatte Poison Baby Ts Leichnam hinter den Rasta-Kiosk gelegt. Und die Verwüstungen des Gesichts sollten verhindern, daß sie identifiziert wurde. Auf diese Weise konnte sie als eine Kayayoo aus dem Norden durchgehen. Die abrasierten Haare sollten darauf deuten, daß sie für ihren Ehebruch mit dem Tod bestraft worden war. Und deshalb waren die Kayayoos auch eingeschüchtert worden.
    «Waren Sie diejenige, die die Fati-Geschichte richtiggestellt hat?» wollte Sylv Po noch wissen.
    «Ja», antwortete Maami Broni.
    «Und warum?»
    «Warum? Das fragen Sie mich? Brother, ich bin in diesem Geschäft, seitdem Sodom und Gomorrha aus den Seiten des Alten Testaments in die Realität katapultiert wurde und genau hier in Agbogbloshie gelandet ist. Ich habe alles gesehen und getan in diesem Gewerbe, was eine reife Frau nur sehen und tun kann. Alles! Aber noch nie ist in meinem Haus ein Leben beendet worden. Nie! Das hat mich nicht mehr losgelassen. Seit diesem Vorfall konnte ich weder Schlaf noch Ruhe finden. Wenn ich ein Bad nehme, habe ich Angst, die Augen zu schließen. Ich sehe sie überall. Ich höre Geräusche. Ich spüre ihre unsichtbare Gegenwart. Poison ließ es völlig kalt. Er sagte nur, ich solle mich zusammenreißen und mich nicht wie ein Kind benehmen. Er hört nicht die Geräusche im Kopf und spürt nicht die Last von Baby Ts umherirrender Seele. Ich war damit ganz allein. Ich hätte beten können und Gott um Hilfe bitten, aber wie kann ich das wagen? Wie kann ich es wagen, um Hilfe und Verzeihung zu bitten für eine solche

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