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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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hast du ein Problem – weil ich dir nämlich dann den Geldhahn endgültig zudrehe, mein Freund!«
    Ein kurzer Piepton verkündete das Ende des Gesprächs. Udo lehnte sich in dem Korbsessel zurück, was das Geflecht mit einem gequälten Ächzen quittierte.
    »Unfähiger Idiot!«, murrte er und griff erneut nach seinem Glas.
    »Leer. Scheiße«, stellte er fest und brüllte nach seiner Frau.
    »Bring mir was zu trinken mit«, dröhnte er.
    Eine Minute später zeichnete sich Claudias Gestalt scherenschnittartig in der Terrassentür ab. Sie hielt etwas in der Hand, allerdings keine Flasche, sondern ein Blatt Papier.
    »Erstens bin ich nicht deine persönliche Kellnerin, und zweitens kam gerade das Fax einer Sicherheitsfirma. Kannst du mir mal erklären, wieso du am Sonntag bei der 24 -Stunden-Hotline einen Tresor für zweitausendeinhundert Euro bestellst?«, fragte sie schrill. Ich horchte auf. Offenbar brauchte Udo ein bombensicheres Versteck – für den Ring?
    »Für meinen Schmuck wird er ja wohl kaum sein«, fuhr Claudia fort, »oder ist der Safe im Schlafzimmer kaputt? Haben die Einbrecher ihn etwa doch aufgebrochen?«
    »Nein, reg dich ab. Der ist für die Kanzlei. Ich habe dort wichtige Dokumente, die ich einbruchs- und feuersicher aufbewahren muss.«
    »Und da kommst du erst jetzt auf die Idee, dir dafür einen Tresor anzuschaffen? Ich dachte, im Büro hättet ihr so ein Riesending für alle Unterlagen!«
    »Claudia«, sagte Udo, und ich hörte die mühsam unterdrückte Wut in seiner Stimme, »ich habe dir nicht die Nasen- OP bezahlt, damit du dein Riechorgan jetzt dauernd in meine Geschäftsangelegenheiten steckst. Ich brauche morgen einen Tresor, also bestelle ich mir einen. Was hast du für ein Problem?«
    »Du bist so komisch. Erst wolltest du nicht mit zum Ausflug, obwohl sich Linus schon so gefreut hatte …«
    »Linus hat sich nicht auf mich gefreut, sondern auf den Besuch im Pommes-Paradies!«
    »… und dann wird bei uns eingebrochen, und du weigerst dich, die Polizei zu holen. Obwohl du angegriffen worden bist. Da ist doch irgendwas faul!«
    »Es wurde nichts gestohlen, und ich habe die Einbrecher nicht erkannt«, erwiderte Udo. »Die beiden Typen waren maskiert, was hätte ich der Polizei also sagen sollen?«
    Jetzt hatte ich die Gewissheit, dass er seiner Frau nichts von mir und meinem plötzlichen Auftauchen erzählt hatte. Stattdessen verdoppelte er die Anzahl der »Einbrecher« und präsentierte sich als furchtloser Held, der selbst vor einer Übermacht Schurken nicht kapituliert.
    »Sie hätten Fingerabdrücke und die DNA nehmen können. So wie sie es im
Tatort
auch immer machen«, keifte sie.
    »Wir sind hier aber nicht beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Himmeldonnerwetter! Außerdem hatten die Täter Handschuhe an!«, schwindelte Udo.
    Ich zog meinen pelzigen Kopf ein. Eigentlich konnte ich froh sein, dass er nicht erpicht auf die Polizei war, denn ich hatte an der Klinke und garantiert an der Kristallkaraffe meine Abdrücke hinterlassen. Wer weiß, ob das heutzutage für die Polizei nicht schon reichte, um zu wissen, wer ich war? Vielleicht waren ja irgendwelche Spuren von mir damals unter der Rubrik »Vermisstenfälle« gespeichert worden?
    Claudia war in ein beleidigtes Schweigen verfallen. Udo wuchtete seine drei Zentner aus dem Stuhl und brummte: »Ich habe morgen Nachmittag einen Termin bei Gericht und muss früh noch mal die Unterlagen durchgehen.«
    Ohne seiner Angetrauten eine gute Nacht zu wünschen, stapfte er ins Haus. Auf ihre höhnische Frage »Welchen Puffbesitzer verteidigst du denn diesmal? gab er keine Antwort. Entweder hatte er sie nicht gehört oder nicht hören wollen.
    Ich zog mich lautlos zurück und trat den Rückweg an. Ich hatte genug gehört.
    Udo war morgen Nachmittag bei Gericht, und dann würden wir versuchen, den Ring aus seiner Kanzlei zu holen. Ich war mir sicher, der neue Tresor war nicht für die Aufbewahrung von wichtigen Papieren gedacht, sondern zum Schutz des Schmucks. Doch ich dachte nicht daran, jetzt aufzugeben. Ich würde um die Erlösung von dem Fluch und meine Liebe zu Jonathan kämpfen. Und ich schwor mir, diesmal würde nicht einer von uns auf der Strecke bleiben – sondern Udo.

[home]
    Kapitel 20
    P unkt zwölf Uhr mittags steckte Udo den Kopf aus seinem Büro. »Lena, suchen Sie mir den Fall ›Henschek‹ raus, ja? Und ich brauche noch einen zweiten Kaffee – extrastark!«, wies er seine Assistentin an. Lena, deren lange Beine in

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