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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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besser. Ob er die Katze witterte, in die ich mich in einigen Stunden wieder verwandeln würde, sollte es mir nicht gelingen, Laurin zu finden? Oder war es der Rabe in meinem Rucksack, den der Dackel trotz seiner Kurzatmigkeit roch?
    »Wie alt ist denn der Wasti?«, fragte ich, obwohl ich die Hundebesitzerin am liebsten aufgefordert hätte, mit ihrer asthmatischen Witzfigur den Platz zu wechseln.
    »Zwölf Jahre«, gab sie stolz Auskunft. »Gell, Wasti, du bist schon ein alter Hundi!«
    Und bald bist du ein toter Hundi, wenn du nicht aufhörst, mich anzugeifern, dachte ich und konzentrierte mich darauf, »Wasti« meine Gedanken zu übermitteln. Vielleicht funktionierte das ja nicht nur zwischen Jonathan und mir? Vor meinem inneren Auge materialisierte sich das Bild von einem halben Dutzend Mettwürste, auf deren goldglänzender Pelle der Schriftzug »Wasti« prangte. Zu meiner Verblüffung jaulte der Dackel plötzlich auf und kroch rückwärts zwischen die Füße seines Frauchens.
    »Was hat er denn?«, wollte die Dame verblüfft wissen und beugte sich hinunter, um ihr speckiges Haustier zu mustern. Der war vom Kampfköter zum Hasenfuß mutiert, jedenfalls gab er keinen Ton mehr von sich.
    »Vielleicht bekommt ihm das Busfahren nicht«, meinte ich freundlich.
    »Wir müssen sowieso an der nächsten Haltestelle raus«, sagte die Dame und führte ihren Wasti an der Leine mit sich. Mit eingeklemmter Rute und einem letzten angstvollen Blick auf mich kroch der Dackel aus seinem Versteck und zerrte sein Frauchen anschließend so heftig zu den Bustüren, dass sie beinahe gestolpert wäre.
    »Böser Hundi!«, hörte ich sie noch rufen. Ich unterdrückte ein Kichern und öffnete den Rucksack ein wenig. Auch der Rabe gluckste leise, und als der Bus nach kurzem Halt nach Welschnofen weiterfuhr, schien die eiskalte Klammer, die um mein Herz lag, schon nicht mehr ganz so eng zu sein.

[home]
    Kapitel 23
    U nser Herrscher ist wieder da!«, hörte Laurin bereits von fern Jubel in der Felsenhalle ausbrechen. Mit Mühe schleppte sich der Zwergenkönig die letzten Meter durch den stockfinsteren Gang, gefolgt von Thoralf.
    »Majestät, wie gut, dass Ihr doch umgekehrt seid. Die Menschenwelt ist voller Gefahren …«, empfing ihn sein Untertan Yngve mit einer Reihe von Verbeugungen. Laurin starrte ihn an.
    »Wieso umgekehrt?«, sagte er heiser, denn er fühlte sich immer noch ausgelaugt vom langen Marsch in die Berge.
    Yngves zerfurchtes Gesicht legte sich in noch mehr Falten. »Aber … Ihr wart doch keine Zeitspanne fort, Majestät«, antwortete der Zwerg verwirrt und starrte seinen König an, der ebenso verständnislos zurückglotzte. »Thoralf und ich hielten uns ein paar Tage in der Oberwelt auf. Was habt ihr faule Bande in der Zwischenzeit getrieben – etwa geschlafen?«, bellte Laurin, und sein Untertan wich zwei Schritte zurück.
    »N-nein, Herr! Seht doch, selbst Euer Essen ist noch warm«, stammelte er und wies auf den Goldteller, der vor Laurins Thron stand. Tatsächlich dampfte der Suppenkessel auf dem Tisch noch schwach, und alles sah so aus, wie Laurin es kurz vor der Vermählung mit Similde verlassen hatte. Er runzelte die Stirn. »Merkwürdig«, stellte er fest und ließ den Blick über sein Volk gleiten. Einige Zwerge schienen von dem Gift, das Similde ihnen so heimtückisch in ihr Mahl gemischt hatte, immer noch etwas angeschlagen. Aber immerhin waren alle bis auf die beiden bedauernswerten Toten, die aufgebahrt in einer kühlen Ecke lagen, wohlauf.
    »Bringt mir Met. Ich muss zu Kräften kommen«, befahl der König. Eilfertig wieselten seine Untertanen davon, und es dauerte keine Minute, bis ein gefüllter Krug vor ihm stand.
    Laurin hob seinen Methumpen. »Auf unser Volk«, rief er, und ein vielstimmiger Jubel aus Zwergenkehlen antwortete ihm. Bald, dachte Laurin. Bald würden seine Kräfte zurückgekehrt sein, und dann würde er sich mit Hilfe einer neuen Magie wieder auf die Suche nach seiner Braut machen. Und wehe ihr, wenn er sie fand!
    ***
     
    »Jonathan! Wo bist du?«, rief ich ungeduldig. Der Rabe war davongeflogen, und ich bekam kurzzeitig Angst, er würde nicht wiederkommen. Ich stand am Fuß des Berges, der uns hoffentlich direkt an die Grenze zu Laurins Rosengarten führen würde. Nachdem ich mit dem Raben im Rucksack aus dem Linienbus gestiegen war, hatte es zum Glück nicht lange gedauert, bis ich einen jungen Förster mit seinem Jeep getroffen hatte, der sich bereit erklärte, mich zum Karerpass

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