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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Blicken der anderen. Der Schmuck schien eine merkwürdige Wärme auszustrahlen, anders als Udo von dem kühlgoldenen Metall erwartet hätte. Seine Finger schlossen sich um das Kleinod, und auf einmal fühlte er sich überhaupt nicht mehr schuldig. Im Gegenteil, er empfand eine seltsame Macht, so als müsse er nur mit dem Finger schnippen, und alle würden nach seiner Pfeife tanzen.
    Ein überhebliches Lächeln stahl sich in seine Mundwinkel, und er blickte Spindler fest und sicher ins Gesicht.
    »Ich habe kurz mit der Wiltenberg geredet, aber dann ist sie alleine weitergegangen. Keine Ahnung, wo sie abgeblieben ist«, erklärte er. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Frank. Obwohl der gar nicht gefragt worden war, ruckte sein Kopf in einem bestätigenden Nicken auf und ab wie bei einem nervösen Huhn, das hastig die restlichen Körner aus dem Futtertrog pickte, ehe der Schlachter kam.
    Die Lehrer tauschten einen resignierten Blick. »Wenn wir im Tal sind, werden wir die Polizei benachrichtigen. Bis dahin bleiben Sie bitte alle dicht zusammen. Herr Spindler wird den Abstieg mit Ihnen machen. Ich suche weiter oben noch einmal nach Emma. Keiner fällt im Tempo zurück, keiner macht eine Extratour, ist das klar?«, ordnete Frau Müller streng an. Stumm und im Gänsemarsch trabten die Schüler los.
    Udo bildete das Schlusslicht, da legten sich Franks feuchtklamme Finger auf seinen Arm. Udo fühlte sich an einen Blutegel erinnert und zog angewidert seinen Arm weg. Vergeblich, denn Frank blieb hartnäckig an seiner Seite und hauchte ihm seinen Atem, der nach ungeputzten Zähnen und Käsebrot roch, ins Gesicht.
    »Was meinst du, ob sie vielleicht bewusstlos geworden ist? Oder …«, flüsterte Frank. Er sprach den Satz nicht zu Ende. Udo drehte den Kopf und taxierte seinen Banknachbarn kalt. Frank war die Angst förmlich ins Gesicht eingegraben. »Sollten wir nicht doch lieber die Lehrer …«, setzte er erneut an und verstummte erschrocken, denn Udos Pranke war unvermittelt vorgeschnellt und packte ihn schmerzhaft im Nacken.
    »Du hältst die Schnauze, kapiert?«, zischte Udo so leise, dass nur Frank es hören konnte, dafür verstärkte er aber den Griff. Frank hatte das Gefühl, sein Genick könnte im nächsten Augenblick brechen. »Klar, Udo, Ehrensache«, quiekte er atemlos und fühlte erleichtert, dass der zangenartige Druck sich langsam lockerte. Udo fixierte seinen Kumpel mit stechendem Blick. Seine Hand lag immer noch locker in Franks Nacken, die andere war fest um den Ring in seiner Tasche geschlossen.
    »Wenn du jemals verrätst, was da oben am Berg los war, mach ich dich alle«, stellte er klar. »Und falls du auf die Idee kommst, irgendjemandem von dem Ring zu erzählen, bringe ich dich um«, fügte er beiläufig hinzu.
    Frank quollen fast die Augen aus dem Kopf, und er starrte seinen Freund fassungslos an. Udo erwiderte den Blick ruhig – dann drückte er Franks Nacken unvermittelt so kräftig, dass der mit einem Aufschrei in die Knie ging. Claudia und Sabine drehten sich um und starrten auf die Szene, die sich ihnen bot.
    »Tja, Mädels, es ist noch nicht so lange her, dass unser Frankie vom Baum gesprungen ist und auf zwei Beinen läuft. Seht es ihm also bitte nach«, kommentierte Udo salbungsvoll und ließ Frank endlich los. Beide Mädchen brachen in schrilles Gekicher aus.
    Während Frank sich mühsam aufrappelte, ging Udo so dicht an ihm vorbei, dass sein Knie Frank an der Schulter traf und ihn beinahe erneut zu Fall gebracht hätte. Fassungslos starrte Frank seinem besten Freund hinterher.
    Er hätte gerne geglaubt, Udos Drohung wäre nur ein Scherz gewesen, aber sein gepeinigter Nacken sagte das Gegenteil. Wie ein geprügelter Hund schlich Frank hinter der Gruppe her und wünschte sich, diese Kursfahrt wäre endlich vorbei.

[home]
    Kapitel 4
    M ein verdrehtes Schultergelenk schmerzte höllisch bei jedem Schritt, doch ich tat den Zwergen nicht den Gefallen, zu schreien. Die Wächter trieben mich vor sich her zu der Felswand hinter dem Königsthron.
    Ich dachte schon, sie würden mich gegen die Steine schleudern, genau wie Laurin vorhin seinen Untertanen, doch da entdeckte ich eine unauffällige Tür im Fels. Sie bestand aus morschem Holz, das beinahe ebenso grau und verwittert war wie die Steine, in die sie eingebaut war. Einer der Zwerge stieß sie auf, und sie schwang mit einem gequälten Ächzen zur Seite, wobei sie den Blick auf eine weitere unterirdische Höhle freigab. Im Gegensatz zu dem Festsaal

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