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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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womöglich war es für sie sogar noch schlimmer als für ihn selbst. Staffe und King sanken auf den Boden der Schaluppe. Wydowse und die anderen kranken Besatzungsmitglieder krümmten sich vor Schmerzen. Dann machte sich bei Jonas ein neues Symptom bemerkbar: eine Art Doppelsichtigkeit. Er sah sämtliche Bootsinsassen in zwei Versionen: zwei Katherines, die beide durchsichtig und verängstigt wirkten; zwei Hudsons, der eine geschlagen, der andere trotzig-herausfordernd; zwei Staffes, einer zusammengekauert am Boden, der andere aufrecht am Mast; zwei Wydowses, von denen der eine den Kopf in den Händen hielt und der andere verwirrt auf einen Kompass starrte.
    Kompass.
    Jonas begriff, dass er zwei Versionen der Zeit auf einmal sah: den derzeitigen Verlauf und das, was sich abgespielt hatte, als er und Katherine sich das letzte Mal in der Schaluppe befunden hatten. Doch das hier war nicht so, als sehe man den echten Verlauf und daneben die Marker, mit ihrem schwachen, überirdischen Leuchten. Alle Versionen einer Person wirkten gleich sichtbar, gleich fassbar und gleich real.
    Jetzt entdeckte Jonas sogar eine zweite Version seiner selbst, bekleidet mit John Hudsons Umhang, der Maskeund der Perücke, die sein echtes Gesicht und Haar vollkommen verbargen. Sein anderes Selbst starrte mit offenem Mund bestürzt auf   …
    … das Schiff. Sein anderes Selbst starrte auf die
Discovery
, die, von Zwei entführt und umgeleitet, erneut zurückkam.
    Alle Vorsicht außer Acht lassend, packte Jonas Katherine am Arm.
    »Wir können überhaupt nichts verändern!«, flüsterte er ihr eindringlich ins Ohr. »Die anderen werden das Schiff jeden Augenblick entdecken und dann sind wir wieder da, wo wir angefangen haben!«
    »Nein!«, flüsterte Katherine ebenso eindringlich zurück. »Ich glaube nicht, dass die jetzige Version der Mannschaft das Schiff sehen kann! Sieh doch! John King schaut genau in die Richtung.«
    Tatsächlich sahen beide John Kings dem Schiff entgegen: Der eine reckte die Faust in die Luft, als sei er gerade vom vermeintlich sicheren Tod errettet worden. Der andere wand sich auf dem Boden vor Schmerzen, sein Blick war unstet und blind, auch wenn er tatsächlich direkt auf das Schiff gerichtet war.
    »Glaubst du, das ist wieder so ein Fall, wo Zeitreisende etwas sehen können, was andere nicht können?«, fragte Jonas leise. »Was ist das? Noch so eine Zeitverschiebung wie die, mit der Zwei das Jahr 1600 vermurkst hat?«
    »Ich glaube nicht, dass sich die Zeit verschoben hat«,flüsterte Katherine zurück. »Ich glaube, sie hat sich
aufgesplittet
. Siehst du, dass sich keine der beiden Versionen auflöst?«
    Das stimmte. Selbst als die beiden Versionen der Schaluppe und ihrer Insassen auseinanderdrifteten   – die eine in Richtung
Discovery
, die andere in Richtung Land   –, blieb jede von ihnen real und sichtbar.
    Hinter sich hörte Jonas die Männer in der anderen Schaluppe »Hussa! Hussa! Hussa!« rufen, während sie auf die
Discovery
zutrieben.
    Er hörte den anderen Henry Hudson in der Schaluppe selbstbewusst prahlen: »Das war alles geplant. Ich wusste, dass es so kommt.« Niemand von denen, die jetzt bei Jonas in der Schaluppe saßen, schien irgendetwas davon mitzubekommen. Die Männer krümmten sich noch immer vor Schmerzen und kauerten sich wie geschlagen zusammen.
    »Vielleicht sind wir diejenigen, die verblassen«, murmelte Jonas. »Vielleicht war das Zweis Plan. Wir reparieren die Zeit, indem wir   – keine Ahnung, wie wir es gemacht haben   –, und dann lösen wir uns auf.«
    »Nein«, flüsterte Katherine aufgeregt. »Nein, uns geschieht nichts. Es wird alles gut gehen.«
    »Wie kannst du dir so sicher sein?«, fragte Jonas und schüttelte empört den Kopf.
    »Weil«, sagte Katherine und quiekte fast dabei, »weil ich Marker sehe.«

Fünfunddreißig
    Katherine hatte recht.
    Eine Markerschaluppe lag mit geblähten Markersegeln direkt vor ihnen im Nebel.
    »Die Zeit ist wieder im richtigen Gleis«, zischte Katherine. Vor lauter Überschwang schnellte ihre Stimme viel zu laut in die Höhe. Der kranke Seemann, der Jonas am nächsten saß, sah verblüfft in ihre Richtung.
    »Hören Sie den Wind?«, beeilte sich Jonas zu sagen. »Seltsam, dass er sich fast wie eine menschliche Stimme anhört, nicht?«
    Der Seemann nickte und sackte wieder in sich zusammen.
    »Pst!«, sagte Jonas zu Katherine und versuchte es wie ein Windgeräusch klingen zu lassen.
    »Aber das bedeutet, dass wir Erfolg hatten!«,

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