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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Rücken gegen die Bootswand zu drücken.
    »Du wagst es, meine Autorität infrage zu stellen?«, fauchte er, genau wie er es schon einmal getan hatte. »Ich habe gesagt, dass wir uns
nicht
in die Winterhütte zurückziehen. Wir gehen den Weg der Ehre! Hast du vergessen, wer hier der Kapitän ist?«
    Jonas spürte Katherine neben sich, die ihn mehr oder weniger auf den Beinen hielt.
    »Du tust das für Wydowse, nicht wahr?«, flüsterte sieihm ins Ohr und es ermutigte ihn, dass sie seine Gedanken teilte.
    Jonas sah Hudson fest in die Augen. Er erinnerte sich daran, wie er sich beim letzten Mal gefühlt, wie viele Möglichkeiten er vor sich gesehen hatte. Und dann waren ihm alle diese Möglichkeiten genommen worden, weil das Schiff aus der falschen Richtung wieder aufgetaucht und ihnen wie eine Erlösung, wie ihre Rettung erschienen war. Doch das war es nicht gewesen   – und das würde es auch diesmal nicht sein. Mit dem als Abacuk Prickett verkleideten Zwei am Ruder konnte sie das Schiff nur in die Katastrophe führen.
    Zum ersten Mal fragte sich Jonas, was aus dem echten Abacuk Prickett geworden war. Hatte Zwei ihn mit den Meuterern auf dem Eis ausgesetzt?
    Jonas konnte sich gut vorstellen, dass dieser ohne jeden Skrupel so verfuhr.
    Natürlich behauptet er, dass er den Verlauf der Geschichte zum Besseren wenden will, dachte Jonas. Er erfüllt Henry Hudson seinen innigsten Wunsch. Er schenkt der Welt eine echte Nordwestpassage. Und er rettet allen Insassen der Schaluppe das Leben.
    Aber woher wollte Jonas wissen, dass sie nicht ohnehin gerettet werden würden? Und was, wenn John Hudson derjenige war, der sie retten sollte?
    »Vater«, sagte Jonas und sah Henry Hudson unentwegt in die Augen. »Du bist nicht mehr der Kapitän.«
    Er hatte schon einmal erwogen, so etwas Ähnliches zu sagen, doch zu diesem Zeitpunkt hatte er nichts über Hudson gewusst, daher hätten seine Worte schroff und gemein geklungen.
    Diesmal hörte er sich an, als bedaure er seinen vermeintlichen Vater, als täte es ihm aufrichtig leid, ihn zu beleidigen.
    Der Griff, mit dem Hudson Jonas’ Umhang umklammerte, lockerte sich.
    »Du   … auch?«, murmelte er. »Selbst mein eigener Sohn   …?«
    »Ich weiß, dass du die Nordwestpassage finden willst«, sagte Jonas besänftigend. »Es ist ein wunderbarer Traum. Aber   … er ist nicht das Leben deiner Mannschaft wert. Du musst zuerst an deine Männer denken. Willst du, dass ihr Blut an deinen Händen klebt?«
    Hudson starrte ihn an. Jonas konnte sich denken, dass Kapitäne zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts normalerweise nicht allzu viele Gedanken an das Leben ihrer Besatzung verschwendeten. Er merkte, dass seine Worte nicht unbedingt das waren, was er Hudson hatte sagen wollen. Sie waren eher an Zwei gerichtet. Auch Zwei hatte hochfliegende Pläne gehabt und alles Erdenkliche getan, um sie zu verwirklichen: Er hatte das Jahr 1600 verändert, die
Discovery
auf eine unmögliche Route geschickt und einen Fluss gegraben, den es nie geben sollte. Aber für ihn war das alles ein Spiel.Zwei waren die Menschen egal, auf die sich seine Veränderungen auswirkten; er benahm sich, als spiele er lediglich mit Puppen.
    Jonas sah zu Staffe und King auf.
    »Tun Sie, was Sie für richtig halten«, sagte er. »Setzen Sie die Segel, damit wir ans Ufer kommen.«
    Beide wirkten bestürzt, doch sie folgten ihm aufs Wort.
    Plötzlich überkam Jonas ein höchst eigenartiges Gefühl. Auf fast allen seinen Reisen durch die Zeit hatte er eine Phase erlebt, in der es sich anfühlte, als würde sein Körper sich in einzelne Zellen, ja sogar in einzelne Atome auflösen. Diesmal hätte Jonas schwören können, dass er spürte, wie sich seine einzelnen Protonen, Elektronen und Neutronen auflösten und auseinandergerissen wurden. Auseinandergerissen und dann noch einmal in mehrere Stücke zerfetzt.
    »Mir ist   … so absonderlich«, stöhnte Hudson neben ihm.
    Der alte Mann sackte auf die Bank, landete zum Glück aber direkt hinter Katherine, die ihm nicht schnell genug hätte ausweichen können.
    »All meine Träume sind zerstört«, murmelte Hudson und vergrub das Gesicht in den Händen. »Dahin, alles dahin.«
    »Verändert«, sagte Jonas behutsam. »Vielleicht auch nur aufgeschoben.«
    Doch er hörte seine eigenen Worte nur verzerrt. Erwar sich nicht sicher, ob es ihm wirklich gelungen war, sie laut auszusprechen.
    Jonas begriff, dass auch alle anderen das Gefühl haben mussten, zerrissen zu werden   –

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