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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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etwas hier zurück? Und welch feines Pergament, beinahe so dünn wie Friedrichs Papier! Das konnte kein Zufall sein, jemand hatte … Anna schlug die Hand vor den Mund, als die Erkenntnis sie durchzuckte. Das Loch, die Rufe … das Pergament war für sie bestimmt.
    Sie konnte das Band nicht gleich lösen. Ihre Finger zitterten so stark, dass das Pergament ihrer Hand entglitt. Rasch hob sie es wieder auf und schob das Band einfach herunter. ANNA stand in großen Buchstaben darauf, ihren Namen konnte sie lesen. Sie fand noch einige Worte, deren Sinn ihr verborgen blieb, allerdings waren sie durchgestrichen. Was sollte das bedeuten? Eine dunkle Ahnung stieg in ihr auf.
    Diese Schrift hatte sie schon einmal gesehen, im Kontor, auf den Rechnungen.
    Heinz. Die Nachricht stammte von Heinz. Und weil er keine Zeit gehabt hatte, das Pergament sorgfältig zu radieren, hatte er den begonnenen Text einfach durchgestrichen. So musste es gewesen sein. Weiter unten war etwas gezeichnet, leicht verschmiert, aber noch gut erkennbar: ein Hund - ihr Hund! -, angebunden an einem Gebäude.
    Anna fuhr zusammen - es sollte den Außenstall mit dem Kühlkeller darstellen, in dem sie vor dem Gewitter Zuflucht gesucht hatte. Daneben waren zwei Figuren gezeichnet, eine ganz sicher eine Frau, die andere durchgestrichen. Fast hätte Anna das letzte Bild übersehen, denn das Pergament hatte sich am unteren Rand wieder aufgerollt.
    Noch einmal ein P aar, diesmal war keine der beiden Personen durchgestrichen. Und daneben - der Hund ohne Kopf. Die Botschaft war deutlich. Die Frau sollte allein kommen, sonst würde der Hund sterben. Anna schluchzte laut auf.
    Erst hatte er Bär in seine Gewalt gebracht und jetzt Falke. Sie knüllte das Pergament zusammen. Dann ballte sie die Fäuste, atmete tief durch und strich das Blatt wieder glatt, um es noch einmal anzusehen.
    Was sollte sie tun?
    Friedrich hasste Heimlichkeiten. Sie hatte es bei de Vinea erlebt: Der Kaiser duldete Ränkespiele nicht einmal von Menschen, denen er so nahe war wie ein Fingerhut dem Finger. Und sie hatte versprochen, Bescheid zu geben, wenn Heinz sich noch einmal meldete. Aber wenn Friedrich diese Nachricht erhielt, ließ er sich gewiss nicht davon abhalten, Anna zu begleiten, da war sie sich ganz sicher. Aber er durfte nicht mitkommen, das wurde auf dem Blatt ganz deutlich dargestellt. Sonst wäre der Welpe in Gefahr. Und wer wusste schon, was Friedrich dachte? Jetzt, da Elisabeth in Worms eingetroffen war, war es ihm vielleicht nicht mehr so wichtig. Anna rollte das Pergament zusammen, hob das Band auf und schob es um die Rolle.
    Wie betäubt ging sie den Weg entlang. Das Zwitschern der Vögel klang schon matter in der Mittagshitze, doch rings um die Kaiserpfalz herrschte emsiges Treiben. Der Flur war leer; von oben hörte sie Schritte, das Klappern von Türen und Nachttöpfen. Schon zwei Ecken vor dem Eingang zur Küche mischte sich der Geruch von Suppe und Schinken, Braten und Gemüse mit dem von Brot und Kuchen. Das Wasser lief Anna im Mund zusammen. Wie konnte sie bloß daran denken, sich den Bauch vollzuschlagen, wenn sie heute entweder Friedrichs Vertrauen verlieren würde oder ihren Hund?
    Alimah stand wie immer am Herd. Keine der geschäftigen Mägde achtete auf Anna.
    "Alimah, ich ...", begann Anna, doch die dunkle Köchin ließ sie nicht zu Wort kommen.
    "Ich kann nicht schon wieder auf ihn aufpassen, er stört in der Küche …”
    "Alimah ! Alimah!" Anna ging die Geduld aus, sie hatte es eilig. Wer wusste schon, was Heinz mit dem Hund anstellte? "Du musst etwas für mich tun - bitte. Es ist wichtig."
    Die Köchin verstummte, musterte Anna mit ihren schwarzen Augen und nickte.
    "Gib dies dem Kaiser, wenn ich bis zum Mittagsläuten nicht zurück bin. Und nur dann, hörst du?" Vielleicht konnte sie alles selbst klären, vielleicht konnte sie den Hund heil zurückbringen, wenn sie mit Heinz sprach, ihm alles erklärte. Dann musste Friedrich nichts davon erfahren.
    “Anna, ist alles in Ordnung?“ , fragte die Köchin.
    Anna nickte. “Ja, doch.”
    Alimah starrte sie von oben bis unten an, und Anna wurde deutlich, wie sie aussehen musste. Verschwitzt, zerzaust, ängstlich. Sie hatte keine Zeit, irgendetwas zu erklären.
    "Wirst du es ihm geben, wenn ich nicht komme?", drängte sie.
    Alimah nickte wortlos. Anna reichte ihr die Nachricht.
    So würde er wenigstens wissen , warum sie gegangen war - warum sie hatte gehen müssen -, falls sie nicht zurückkam. Sie machte kehrt

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