Die Gewandschneiderin (German Edition)
Ich bin entzückt, dich kennenzulernen.”
Anna nickte. Wenigstens sprach Isabella ihre Sprache, das würde die Arbeit erleichtern. “Herrin.”
“Ich freue mich schon seit dem frühen Morgen auf das Kleid, ich habe von deiner Kunst viel Gutes gehört. Willst du es mir zeigen?”, fragte Isabella.
Anna sah sich suchend um. Eine der Zofen trat näher, und Anna legte ihr die Gewänder der Jungfern über den Arm. Das Kleid für Isabella hielt sie hoch, damit die Braut es betrachten konnte.
“Wunderbar, ein solches Grün hatte ich mir vorgestellt. Und der Schnitt gefällt mir auch. Aber es scheint mir nicht ganz fertig zu sein.“
“Doch , Herrin Isabella, diese Nähte sind nur deshalb noch offen, damit das Kleid genau auf Eure Körperformen abgestimmt werden kann”, erklärte Anna.
“Sag doch Herrin Elisabeth zu mir ! Mein Vater nennt mich Elisabeth - ich bin es von klein auf so gewohnt.” Sie klatschte in die Hände. Zwei Zofen traten näher, lösten mit geübten Fingern die Schnüre am Kleid und die Nesteln am Unterkleid, halfen Elisabeth aus ihrem Gewand und zogen ihr das Brautkleid an. Beide Zofen sprachen schnell auf ihre Herrin ein, doch Anna verstand kein Wort.
Herrin Elisabeth lachte. “Sie finden es ganz wundervoll und fragen, ob sie ihre Kleider auch anziehen dürfen.”
Anna nickte.
“Das Gewand ist so leicht, eine Wohltat bei der Hitze. Ich wusste, dass es in Italien warm ist, aber dass man hier in Deutschland auch schon sommerliche Kleidung braucht! Das Wetter in England ist furchtbar, es regnet ständig. Selbst mein Bruder Heinrich, der wirklich ein guter König ist, kann daran nichts ändern.”
Anna musste kichern, und sie hasste sich dafür. Das wurde ja immer schlimmer. Die Braut des Kaisers war nicht nur schön, sondern auch geistreich.
Elisabeth sah Anna in die Augen. “Du bist angenehm. Der Kaiser hat mir schon erzählt, dass du mir neue Gewänder schneidern wirst, nach der Hochzeit. Das freut mich. Mein letzter Schneider war sicher so alt wie meine Taufkirche, und er roch wie ein Essigschwamm.” Da kicherte auch Elisabeth. “Schau, die anderen Kleider passen auch! Selbst bei Irmelin … Sie ist ein wenig fülliger geworden, wenn du verstehst, was ich meine”, tuschelte sie. “Du schließt die Nähte, und dann schickst du mir das Kleid?”, fuhr sie fort.
Anna nickte stumm.
“Das ist gut. Morgen früh hilfst du mir beim Ankleiden, und nach dem Hochzeitsfest lasse ich dich wegen der neuen Gewänder rufen.”
Behutsam löste Anna die Schnürung. Elisabeth schlüpfte gewandt aus dem Kleid, ohne die Hilfe der Mädchen in Anspruch zu nehmen, und zog ihr eigenes Kleid wieder über.
“Ich wünschte, ich könnte es gleich anbehalten.” Sie seufzte. “Es ist gut, du kannst gehen.”
Die Naht würde Elisabeths Brüste noch stärker betonen. Entschlossen griff Anna in die Truhe, um die Nadelmappe zu suchen, öffnete sie, warf sie zurück und ergriff eine andere Mappe. Dann würde sie vor ihm herumstolzieren und ihm den Kopf verdrehen. Sie schnitt neues Garn ab, fädelte es ein und stach in den Stoff. Nicht einmal Petrus de Vinea hätte Anlass, über Elisabeths üppige Formen zu spotten, und sie, Anna, musste dabei helfen, diese Formen möglichst reizvoll zu verpacken. Sie verhedderte sich mit dem Faden, suchte die Schere, fand sie nicht gleich und riss den Faden einfach ab, obgleich ein unschönes Zerrloch entstand. Und dann würde es nicht lange dauern, bis sie einen Thronfolger nach dem anderen gebar, und er hätte nur Augen für sie. Und was war mit ihr, Anna? Erst lud er sie zum Bad ein, und dann führte er eine solche Braut nach Hause.
Sie stach sich in den Finger, verhedderte sich erneut, schimpfte laut vor sich hin, fand die Schere in der Kiste, schnitt den Faden ab und warf die Schere wieder in die Truhe. Aber das Schlimmste war, dass Elisabeth nett war. Anna knallte den Deckel der Truhe so heftig zu, dass der eiserne Beschlag laut ächzte. Warum machte sie es ihr so schwer, sie zu hassen?
Auf der Bank unter den Bäumen des kleinen Parkes war es angenehm kühl, obwohl der Tau auf den Blüten schon verdunstet war. Anna setzte sich und nahm Falke auf den Schoß. Er stellte sich auf die Hinterpfoten, die Vorderbeine gegen Annas Körper gestemmt, und sah sie mit wedelndem Schwänzchen unverwandt an.
“ Mein Kleiner, wenigstens haben wir uns. Ich passe auf dich auf, und du tröstest mich, das ist mehr, als manch ein anderer hat, hm?” Sie beugte sich vor, und
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