Die Gewandschneiderin (German Edition)
“Macht nichts, sowieso zu teuer, dich dick füttern.” Er schritt ein wenig langsamer aus, und Anna heftete sich ihm an die Fersen. Ihr war nicht zum Lachen zumute. Gleich musste sie sich dem Kaiser stellen. Was würde er dazu sagen, dass sie eine solche Dummheit begangen hatte?
Die Doppeltür schwang auf, Alimah und M`Ba blieben zurück. Ganz allein stand Anna in dem großen Saal und blinzelte zu der kleinen Gruppe vor dem Thron hinüber. Friedrich saß, und Petrus de Vinea stand zu seiner Rechten wie an jenem Tag, als der Kaiser seinen Sohn gerichtet hatte. Heinz, das Gesicht blutig aufgeplatzt und verschwollen, wurde von zwei Wächtern flankiert, die ihn scharf im Blick hatten, aber nicht festhielten.
“Komm näher !”
Anna trat vor den Thron. Erst aus der Nähe erkannte sie, dass der Kaiser aufs Höchste erbost zu sein schien. Die Adern an Stirn und Hals waren geschwollen, die Augen bildeten gefährliche Schlitze. Ihr schauderte. War er so wütend auf sie?
“Dann lasst uns anfangen.” Friedrich gab seinem Berater einen Wink. “Petrus.”
De Vinea wandte sich an Heinz. Seine dunkle Stimme dröhnte durch Annas gemarterten Kopf.
“Dir wird vorgeworfen , eine Sache - genauer, einen Jagdhundwelpen - entwendet zu haben, um einem Mitglied des Hofes, Anna Spierl, eine Brandfalle zu stellen. Weiterhin soll der Vorsatz bestanden haben, das selbige Mitglied mit einer Heugabel bis zum Tod durch Verbrennen oder Ersticken in das Feuer zu zwingen. Die Anklage lautet auf Verrat.”
Heinz lachte krächzend. “ Sie hat den Schuppen in Brand gesteckt, und einen falschen Namen benutzt sie auch. Ich war nur durch Zufall dort und wollte mit der Gabel das brennende Stroh wegräumen, um sie zu retten”, erklärte Heinz.
“Lüg mich nicht an!”, brüllte der Kaiser. “Sie trug eine Nachricht von dir bei sich.”
Heinz zuckte zusammen und nestelte an seiner Gürtelschnalle. “Die Nachricht hat sie selbst geschickt, um von sich abzulenken.”
Friedrich sprang auf, trat auf Heinz zu und schlug ihm so hart ins Gesicht, dass es klatschte. Schwer atmend setzte der Kaiser sich wieder auf den roten Thron.
“ Warum sollte sie den Hund töten und sich selbst verbrennen? Außerdem” – er wedelte mit der Nachricht - “kann sie nicht schreiben. Es stehen auch Worte auf dem Bogen. Das ist der Beweis - sie wurde in die Scheune gelockt.”
Heinz ließ den Kopf sinken, hob ihn aber gleich wieder und reckte das Kinn. “Ich habe ein Recht darauf, sie zu prüfen. Sie ist mein Weib.” Er beobachtete den Kaiser genau, und als keine Antwort erfolgte, sprach er eifernd weiter. „Und sie ist eine Hexe. Sie hat mich verhext und meine Mutter ermordet.”
“Pah.” Der Kaiser erhob sich abermals. “Sie ist so schön, dass sie jedem Mann den Kopf verdreht, das macht sie noch nicht zur Hexe. Und über deine Mutter, die Giftmischerin” – Heinz erbleichte -, “habe ich Erkundigungen eingezogen. Es sieht wohl eher so aus, als ob sie sich aus Versehen selbst aus ihrem jämmerlichen Dasein befördert hat.”
“Sprecht nicht so über …”
“Schweig!” , fuhr Friedrich Heinz über den Mund. “Und im Übrigen ist sie nicht dein Weib, denn die Ehe wurde nie vollzogen. Sie ist die ehrbare Witwe des armen Meisters Spierl. Sie ist also weder eine Hexe noch deine Frau. Nachdem das nun geklärt ist, wieder zu dir.” Er nickte den Wächtern zu. Sie packten Heinz an den Armen.
Der Tuchhändler schrie auf. “Ich habe Zeugen dafür, dass sie eine Hexe ist.”
“Damit redest du dich auch nicht …”
Petrus de Vinea sprach leise auf den Kaiser ein. Der wandte den Blick ab, nickte dann aber.
“Sprich!”, forderte de Vinea Heinz auf.
Die Wächter ließ en Heinz’ Arme los, standen aber bei Fuß, bereit, wieder zuzupacken. Anna hielt es kaum noch aus. Wann war diese schreckliche Verhandlung endlich vorbei? Was sollte das Gerede von Zeugen? Etwa der Wirt aus dem Gasthaus, der bezeugen sollte, dass sie mit der Linken genäht hatte? Nur gut, dass sie Friedrich davon erzählt hatte. Ihm war es gleichgültig, das wusste sie. Sie straffte den Rücken und versuchte den Schmerz im Arm nicht zu beachten. Als sie jedoch Heinz’ nächste Worte hörte, gefror ihr schier das Blut in den Adern.
“Der Ratsherr Gilbert aus Jever hat sie und ihren Vater der Hexerei angeklagt” , stieß Heinz triumphierend hervor.
Anna schloss die Augen und presst e die Fingerkuppen gegen Stirn und Nase. Wie hatte er bloß davon erfahren? Verzweiflung
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