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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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und eilte aus dem Haus.
     
    Ein Schwein geriet ihr vor die Füße, zwei Hühner stoben gackernd auseinander, doch Anna hielt nicht inne. Sie eilte davon, vorbei am Holzlager und Vorratshaus, an den Ställen und am Backhaus mit den kichernden Mägden davor. Doch warum kam sie nicht rascher vorwärts, obwohl sie rannte wie noch nie in ihrem Leben? Noch die Kapelle, dann lief sie ohne Gruß an dem Wächter des hinteren Tores vorbei, sprang die drei Stufen hinunter und wandte sich ohne Zögern nach rechts. Eine scheinbar endlose Strecke an der Mauer entlang, bis sie endlich die offene Wiese mit dem Feldweg erreichte.
    Staub w irbelte auf, die Hitze machte das Atmen schwer, doch Anna wagte nicht, langsamer zu werden. Wer wusste schon, was dieser Wahnsinnige mit ihrem Hund anstellte, wenn sie nicht kam?
    D ie Scheune tauchte auf. Verlassen lag sie in der flirrenden Mittagshitze. Eine Stechfliege biss Anna, aber sie hielt nicht an, um das lästige Ungeziefer abzuschütteln. War Heinz schon wieder fort? Das Tor kam näher, es stand offen. Was hatte Heinz Falke angetan? Warum war er nicht zu sehen? Mehrere durchsichtige Klötze lagen staubbedeckt vor dem Schuppen. Anna fuhr mit dem Finger darüber, sie waren eiskalt. Die Blöcke aus dem Kühlkeller! Hatte Heinz Falke in das Loch geworfen?
    Würde sie den kleinen Hundekörper irgendwo in dieser Grube … Ein Winseln, sie hörte eindeutig ein Winseln. Anna rannte in den Schuppen, vorbei an den Sensen und Körben. Sie suchte die Stroh- und Heuballentürme ab, die in schnurgerader Linie an allen vier Wänden aufgestapelt waren. Nichts. Vielleicht doch in der Grube? Anna stolperte über ein Werkzeug. Wer auch immer hier aufgeräumt hatte, war nur bei den Ballen gründlich gewesen..
    “Falke?” Sie warf sich auf die Knie und schob die hölzerne Abdeckung beiseite. An dem Mittelbalken, der zum H inablassen der schweren Eisklötze gebraucht wurde, hing ein dünnes Seil. Und unten, ganz unten in der Grube saß der Welpe, das dünne Seil um den Hals gebunden, und sah sie aufmerksam an, wie es seine Art war. “Falke!”, rief Anna erleichtert. Heinz hatte dem Hund nichts getan, es hatte ihm gereicht, Anna zu erschrecken. Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Schluchzend und lachend zugleich beugte sie sich noch weiter vor. Falke jaulte, und als er ihrer gewahr wurde, sprang er hin und her, doch die dünne Schnur schnitt ihm in den Hals; er röchelte.
    Anna sah sich hastig um . Die Leiter zum Dachboden war festgezurrt, aber sie hatte doch irgendwo eine weitere Leiter gesehen. Da stand sie, an die grobe Mauer gelehnt, voller Spinnweben und Heuhalme. Beim Versuch, das halb zerbrochene Ding zur Grube zu schleppen, rammte sie sich Splitter in die Finger, aber sie schaffte es. Behutsam, damit die Holme den Hund nicht verletzten, ließ sie die Leiter in das Loch rutschen und schwang sich darauf. Rückwärts stieg sie eilends hinunter. Eine der oberen Sprossen krachte, hielt ihrem Gewicht aber stand. Endlich hatte sie den Boden erreicht und nahm den Welpen auf den Arm. Sie versuchte, ihn loszuknüpfen, doch das Band saß fest. Es war vielfach verknotet und fest verzurrt. Mit schweißnassen Fingern ließ es sich einfach nicht lösen. Anna setzte Falke ins Stroh, das auch hier in ordentlichen kleinen Stapeln verteilt war, während er ihr mit rauer Zunge die Hände leckte. Ein ungutes Gefühl beschlich Anna. Sie sah sich um, und plötzlich verstand sie, warum Heinz sie hier heruntergelockt hatte.
     
    Der Brandgeruch breitete sich aus, während Anna ein letztes Mal an dem Knoten zerrte. So würde sie das Band nicht losbekommen. Sie stieg die Leiter wieder hinauf und kletterte über den Rand. Sie hatte es gewusst. Der Schuppen brannte an allen vier Ecken.
     
Böses Erwachen
     
    Vor dem offenen Tor stand Heinz und hielt mit festem Griff die spitze Heugabel umklammert, mit der er sie zurückstoßen würde, sollte Anna zu entkommen versuchen.
    Qualm drang ihr in Mund und Nase. Ihr Herz raste, die Kehle war wie ausgedörrt, und ihr wurde schwindelig. Doch statt auf das Tor zuzulaufen und an Heinz vorbeizuflüchten, wandte sie sich keuchend wieder der Grube zu. Sie musste hinabsteigen und Falke retten. Der Balken und die Leiter verschwammen ihr vor den Augen. Alles schien so unwirklich. Die Flammen tanzten in glühendem Rot und Gelb, die Sonne warf ihre Fänge in das tiefste Dunkel der Scheune. Heinz wirkte wie ein Schattendämon vor dem hellen Ausgang, der in die rettende Freiheit führte. Fast

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