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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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dass der Sand nur so spritzte. Stets hatte sie sich Mühe gegeben, Heinz auf Abstand zu halten. Was wunderte sie sich da, dass er sich anderswo umsah? Seufzend nahm sie einen Eimer zur Hand, um Wasser zu holen. Wenigstens würde es bald etwas zu essen geben.
     
    Die Suppe enthielt dicke Speckbrocken und schmeckte recht gut. Traute, der die Wangenknochen durch die blasse Haut stachen, aß, als gäbe es kein Morgen. Lina indessen schien andere Genüsse im Sinn zu haben. Sie hatte ihre Schale schon ausgewischt und dabei so sinnlich die Hüften geschwenkt, dass ihr üppiger Körper vorteilhaft zur Geltung kam. Und dann sprach sie Heinz auch noch an!
    “Wie kommt es, dass du nicht verheiratet bist?” , fragte sie.
    “Nun, ich stelle wohl zu hohe Ansprüche an ein Weib, genau wie mein verstorbener Vater. Der Liebreiz meiner Mutter ist so überwältigend …” Er lächelte Lina an. Anna zuckte zusammen.
    “Wie müsste ein Weib beschaffen sein, um dir zu gefallen?”, hakte die Näherin nach.
    “Lass mich überlegen …” Er kratzte sich am Kinn. “Sie sollte ein gewinnendes Wesen und ein annehmbares Äußeres haben. Außerdem muss sie sich mit Stoffen auskennen und gute von schlechten Tuchen unterscheiden können. Kochen müsste sie nicht, dafür gibt es Mägde im Haus. Aber breite Hüften sollte sie haben, damit sie mir gesunde Kinder schenken kann.” Sein Blick ruhte auf Anna, und sie wand sich innerlich.
    “Das mit den Kindern ist ja nicht so eilig.” Er lächelte , Anna entspannte sich und lächelte zurück.
    Lina hatte sich erhoben und war auf Heinz zugegangen. Noch bevor er etwas sagen konnte, stand sie dicht vor ihm.
    “Was ist mit meinen Hüften - sind die breit genug?“, kicherte sie.
    Heinz packte Lina um die Mitte, zog sie aber nicht zu sich heran, sondern schob sie weg.
    “Vor allem aber sollte sie aus gutem Hause stammen, denn auch die Ansprüche meiner Mutter müssten erfüllt werden.“ Er legte eine kleine Pause ein. “Das ist sogar die wichtigste Voraussetzung.“
    Lina unternahm einen letzten Versuch. “Nun, man muss nicht immer gleich heiraten …”, lockte sie.
    Anna hatte ihre Schüssel geleert und klopfte mit dem Löffel auf de n Rand.
    “Anna?” Heinz sah sie fragend an.
    “Hm?”
    “Kommst du mit zum Wasser? Wir müssen noch über Köln reden.”
    “Gern.”
    Des Geplänkels überdrüssig, erhob sich Anna. Lange hätte sie Linas Gerede nicht mehr ertragen, so viel stand fest. Es war nicht weit bis zum Fluss. Der schöne Stoff des neuen Kleides raschelte leicht im Wind und verlieh ihr Mut. Das Licht des vollen Mondes zeichnete Annas zitterndes Abbild auf die Wasseroberfläche, es war taghell. Gut so, mit dem blauen Gewand sah sie sicher besser aus als Lina in ihrem braunen Kleid. Als sie am Ufer standen, wandte Heinz sich zu ihr um.
    “Anna!”
    “Was ist?” Warum klopfte ihr Herz so schnell?
    “Ahnst du, über wen ich vorhin sprach?”, flüsterte er.
    Röte stieg ihr in die Wangen , und sie senkte den Blick.
    “Ach , Anna, du bist so scheu und zart - und wie du mit den Stoffen umgehst! Hätte ich doch eine Frau wie dich an meiner Seite. Begleite mich für immer nach Köln! Es würde dir an nichts fehlen, und du könntest nähen und schneidern, so viel du magst.” Er griff nach ihrer Hand. Spürte er das kurze Zucken, mit dem sie sich ihm beinahe entzogen hätte?
    “Und ich gestatte dir , eine Lehre bei meinem Freund zu machen, ich zahle sogar das Lehrgeld. Wenn du nur Ja sagst.”
    Sie hob den Kopf und sah ihn an. Heinz nahm ihre Hand. Irgendwann würde sie heiraten müssen. Warum nicht ihn? Er liebte Stoffe, und sie könnte darin nach Herzenslust schwelgen.
    Heinz ließ ihre Hand los , und sie erschrak. Hatte sie mit der Antwort zu lange gezögert? Doch nein, er kramte etwas aus seinem Beutel hervor und legte es ihr in die Hand. Es war die Erwerbung vom Markt.
    “Überleg es dir, wir haben noch den morgigen Tag.”
    Dann ging er langsam den Flu ss entlang und entfernte sich vom Nachtlager.
    Ann a betrachtete die spitze Stofftüte und löste rasch das Band. Blaurote, krustige Süßigkeiten! Sie hob die Tüte an die Nase, und der Name fiel ihr wieder ein: kandierte Veilchen. Sie hatte einmal auf dem Markt diese Spezereien betrachtet und daran riechen wollen. Aber der Händler hatte sie weggescheucht. Und nun gehörte ihr eine ganze Tüte voll davon! Sie schob eines der kleinen Naschwerke in den Mund. Welch ein Geschmack! Süß und lieblich und …
    Anna fasste einen

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