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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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ist …”
    Ihr Kleid abgeben? Und als Novizin Ragnhild unterstellt sein? Das Bild von Hethel mit der geröteten Wange erschien vor ihrem inneren Auge, und ihr schauderte.
    Sie senkte den Kopf und ließ die Schultern hängen. Sicher, sie wollte im Kloster bleiben, aber als Gast, nicht als Nonne.
    “Kind?” Die ehrwürdige Mutter musterte Anna forschend.
    Was hatte sie gerade gefragt?
    “Du kannst doch gewiss Laken nähen. Wir müssen auch für dich einen Platz finden, an dem du Gott demütig dienen kannst”, schloss die Ordensfrau.
    Laken nähen? Anna hatte genug, aber sie wollte nicht unhöflich sein.
    “Mir ist schwindelig. Darf ich mich ausruhen und danach entscheiden?” , fragte sie.
    “Sicher, Kind. Sein Leben Gott zu weihen und eine Braut des Herrn zu werden , ist eine Entscheidung, die wohl abgewogen sein will. Komm nach der Abendmesse noch einmal zu mir und teil mir deine Entscheidung mit.”
    Anna stolperte aus der Stube und irrte verwirrt durch die Gänge. Plötzlich riss sie ein sachter Stoß aus ihren Gedanken. Ihre Füße hatten sie zur Nähstube getragen, und vor ihr stand - Heinz.
    “Hoppla ! Wohin so eilig?” Bewundernd musterte er sie. “Wie schön du bist in dem neuen Kleid”, flüsterte er mit rauer Stimme.
    “Danke” , murmelte Anna verlegen, doch dann schossen ihr die Tränen in die Augen.
    “Was hast du? Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich wollte dir nicht zu nahe treten.” Bekümmert knetete Heinz die Hände.
    “Nein, es ist nur …” Anna schniefte. “Die Ordensschwestern haben meine Verwandten angesprochen. Ich kann im Kloster bleiben. Als … als …” Die Stimme versagte ihr.
    “ Als Nonne?”, fragte Heinz.
    “Ja, und ich mu ss das Kleid wieder abgeben, dabei ist es gerade erst fertig geworden. Aber wohin soll ich denn sonst? Ich wollte eine Lehre machen, aber das Lehrgeld wurde mir gestohlen.” Erst als sie wieder aufsah, bemerkte Anna, wie blass Heinz geworden war. Er räusperte sich.
    “Das ist eine Entscheidung , die gut überlegt sein will. Einmal Nonne, immer Nonne.”
    “Ich wei ß …”, schluchzte Anna.
    “Willst du denn Nonne werden?”
    Sie schüttelte heftig den Kopf. “Aber was soll ich denn sonst tun?”, weinte sie verzweifelt.
    “Als Tuchhändler komm e ich viel herum, und wie Gott es so fügt, ist einer meiner Freunde Gewandschneider. Ich kann nichts versprechen, aber wenn du mich begleitest, stellt er dich vielleicht als Lohnnäherin ein, bis du genug gespart hast, um bei ihm in die Lehre zu gehen.”
    Anna traute ihren Ohren kaum. Sollte sich ihr Traum doch noch erfüllen? Und wenn es nur ein Vorwand war, um mit ihr allein zu reisen und …
    “Wir würden natürlich nicht allein reisen “, fuhr er fort, als könne er Gedanken lesen. „Ich habe im Dorf zwei Näherinnen angeworben, sie warten in der Herberge und würden uns den ganzen Weg über begleiten.”
    “Was ist mit Bär?” , fragte sie vorsichtig. Dessen Abneigung gegen den Tuchhändler hatte sich nicht gelegt, aber ohne den Hund ginge sie nicht. Eher würde sie Nonne.
    “Gut, nimm ihn mit, aber pass auf der Reise gut auf ihn auf”, stimmte Heinz zu, wenn auch nicht sonderlich erfreut.
    Anna vollführte einen kleinen Freudentanz und raffte lachend die Röcke.
    “Ich wei ß nicht einmal, wohin wir fahren.”
    “Nach Köln, kleine Anna, nach Köln.”
     
    Sie waren in aller Herrgottsfrühe aufgebrochen . Der Abschied war Anna nicht leichtgefallen. Hethel war ihr eine liebe Freundin geworden, und auch Theodora hatte sie ins Herz geschlossen. Doch den Rest ihres Lebens als Nonne und gar als Weißnäherin zu beschließen, brachte sie nicht übers Herz. Als wolle sie Anna das Gehen erleichtern, hatte Ragnhild gleich nach dem ersten Hahnenschrei laut gekeift und die Novizinnen herumgescheucht, sodass Anna erleichtert war, inzwischen nur noch das Gerumpel des Fuhrwerks hören zu müssen. Das Weiß der letzten Schneehaufen war einem lichten Grün gewichen, und der Frühling hatte das Land mit aller Macht erobert. Überall stritten Vögel um die ersten fetten Würmer. Vorn neben Heinz saß es sich recht behaglich. Anders als beim Korbflechter gab es hier Filzmatten als Sitzauflagen, die die Erschütterungen dämpften. Die beiden Näherinnen hatten es auf der Ladefläche nicht so angenehm, und sie mussten achtgeben, die Stoffballen nicht zu zerknittern. Doch die beiden waren trotzdem gut gelaunt. Als eine von ihnen ein Lied anstimmte, fiel die andere gleich darauf mit ein.
    Mittags gab es

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