Die Gezeiten von Kregen
ich bei dir!«
Und dann – es war eine mutige, kühne Tat, ein wahres Jikai! Der alte weißhaarige Mann, der Dak genannt wurde, kämpfte sich an den beiden Chuliks vorbei, schaltete den zweiten Rapa aus und warf sich auf die beiden, die seinen Herrn bedrängten.
Er hatte keine Chance. Bei diesem Angriff war er von hinten ungedeckt. Sein Hieb wurde pariert. Ich sah, wie langsam der Dak reagierte, spürte, daß er mit den Kräften am Ende war. Das wußte er selbst und erhob das Langschwert und forderte zum letztenmal das Blut eines Gegners.
Als er unter den Hieben zu Boden ging, rief er ein letztes Mal: »Zair! Jikmarz! Jikmarz!«
Dann war es aus.
Der Zwischenfall war im Nu vorbei: ich hatte kaum Zeit, mich aus meiner liegenden Stellung zu erheben und das infernalische Läuten der Glocken Beng-Kishis aus meinem Kopf zu vertreiben.
Der junge Mann war von Verzweiflung übermannt. Er brüllte schrill wie ein sterbender Leem, der bereits von den Lanzen meiner Klansleute durchbohrt war.
»Dak! Dak! Süßer Jikmarz! Dak!«
»Halte durch!« brüllte ich und setzte mich in Bewegung. »Ich komme!«
Ich fiel die Chuliks und die Gruppe der Apim, die ich verfolgt hatte, von hinten an; im gleichen Augenblick kam mir Duhrra zu Hilfe. Gemeinsam kämpften wir in dem Bemühen, den jungen Mann zu retten. Wir hieben und stachen zu, bis unsere Arme rot waren von magdagschem Blut, bis der letzte Chulik leblos zu Boden sank, doch als wir den jungen Mann, den Bruder der Roten Bruderschaft von Jikmarz, erreichten, war er tot.
Duhrra, der nicht sonderlich angestrengt atmete, betrachtete mich düster. »Du kämpfst gut, Dak. Trotzdem lebt der Junge nicht mehr.«
Daß er mich Dak nannte, war ein Versehen, vermutlich dachte er, der Rote Bruder von Jikmarz habe nach mir gerufen. Das Verblüffende war vielmehr die Art und Weise, wie er sich äußerte – ohne zu zögern, ohne stockendes »Äh« in jedem Satz, ohne die Worte halb zu verschlucken. Lag dies lediglich an dem wilden Kampf?
»Ja, es ist der Wille Zairs.«
Ich hob den Blick. Der Holzstapel bewegte sich. Ein Balken polterte schräg herab.
»Zur Seite, Duhrra!«
Ich sprang zurück. Duhrra machte Anstalten zu springen, doch die Flanke des Holzstapels wölbte sich auswärts wie ein Sack Korn in dem Augenblick, da er aufgeschnitten wird. Die Balken rollten auf Duhrra herab. In der aufwallenden Staubwolke sah ich seinen linken Arm, der sich in meine Richtung streckte, und sein rundes Gesicht, das rosa in den Schatten schimmerte. Ich packte die Hand und zerrte daran. Sein Mund ging auf, doch im Poltern und Grollen des rutschenden Holzes hörte ich ihn nicht. Ich bekam ihn nicht vom Fleck. Ein Balken schlug mir die Füße unter dem Leib weg, und ich fluchte und wurde zurückgedrängt, aber schließlich lag die Ladung wieder still. Der Staub verzog sich. Ein unangenehmer Verwesungsgeruch ging von dem Holz aus. Ich sah mich nach Duhrra um.
Er saß fest.
Sein Körper lag am Boden, die rechte Hand war zwischen zwei eckigen Holzbalken gefangen. Ich erkannte sofort, daß sie völlig zerquetscht sein mußte.
»Herr, ich kann mich nicht bewegen!«
Ich beugte mich vor und merkte, daß ich überraschend gut sehen konnte. Ein hastiger Blick zeigte mir, daß die herabgestürzten Balken zwischen den Stapeln in Brand geraten waren. Die dicken Stämme waren trocken und brannten wie Zunder.
Und Duhrra lag gefangen an einer Stelle, da ihn die Flammen unbedingt erreichen mußten.
»Es ist aus, Dak! Du solltest jetzt gehen.«
»Halt den Mund, Duhrra! Ich lasse dich nicht hier liegen!«
»Dann mußt du verbrennen.«
Durch die Flammen, die zwischen den Balken emporloderten, machte ich eine Bewegung aus. Ich hob den Kopf. Im roten Feuerschein wirkten die Farben der Männer schwarz. Grüne!
Duhrra wandte den Kopf und sah die Soldaten ebenfalls.
»Gib mir das Schwert in die linke Hand, Dak, mein Herr. Ich möchte kämpfend sterben.«
»Du bist ein Onker, Duhrra! Du brauchst nicht zu sterben! Ich kann zwar die Balken nicht bewegen ...«
»Aye. Das brächte ich auch nicht fertig. Nicht einmal wir beide. Und sie liegen auf meiner Hand.«
»Es gibt aber einen Ausweg, wenn du damit einverstanden bist.«
Seine schweren Lider zuckten. In seinem Blick dämmerte eine Erkenntnis, die er erst verarbeiten mußte.
»Ein anderer Ausweg? Ja, ich verstehe.«
»Nun?«
Er musterte mich mit einer verrücktmachenden Bedächtigkeit; es sah fast so aus, als habe er keine Eile.
»Das ist deine Entscheidung,
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