Die Gezeiten von Kregen
der Krallenhand des Ausrufers, der seine Freude nicht verhehlte.
»Unbesiegt! Duhrra der Champion, der Riesenringer!« Und dann: »Herbei! Herbei! Ein Goldstück ist zu gewinnen!«
Die Menge begann sich zu zerstreuen.
Ich näherte mich dem Ausrufer und sagte: »Du verlierst das Interesse der Leute, Dom. Dein Mann siegt zu schnell.«
Er warf mir einen kurzen Blick zu.
»Aye, Dom, das weiß ich wohl. Duhrra ist eben ein echter Champion.«
Ein Stück entfernt erleuchteten etliche Fackeln eine primitive Bühne, auf der ein halbes Dutzend Mädchen tanzte. Sie trugen Perlenketten und Federn und bewegten sich verheißungsvoll. Die Soldaten starrten hinüber und fuhren sich mit der Zunge über die Lippen. Weiter entfernt schluckte ein Mann Feuerbälle und versüßte sich die Mahlzeit mit Dolchklingen. Sein Ausrufer brüllte lauter als der Mann vor mir.
»Ich kämpfe gegen Duhrra«, sagte ich.
»Wo ist dein So?«
»Den bekommst du, wenn ich verliere.«
Ein Swod mit den Abzeichen eines Sectrixreiters hörte meine Worte, rief seinen Kameraden etwas zu und kam zurück. Ich starrte auf den Ausrufer.
»Wenn mein Vater mich sehen könnte!« rief er. »Ich, Naghan der Schausteller, arbeite umsonst!«
»Entscheide dich!«
»Kämpft er nun oder kämpft er nicht?« fragte der Kavallerist.
Ich traf die Entscheidung für Naghan den Schausteller.
»Ich kämpfe!« verkündete ich und warf meinen alten roten Mantel von den Schultern. Der Gürtel mit dem Langschwert und dem Seemannsmesser folgte. Als ich in den Kampfkreis trat, trug ich nur meinen roten Lendenschurz. Duhrra der Riesenringer beäugte mich. Ich grüßte ihn. »Du bist ein guter Mann, mein Freund«, sagte ich. »Ich will dir nichts Böses.«
Seine matten Augen musterten mich von oben bis unten. »Äh ... nein, Dom ... äh ... nichts Böses.«
Von unten schrie eine Frau: »Duhrra bringt ihn um!« Und eine andere noch lauter: »Nein, schaut ihn euch doch an!«
Gegen meine Ausbildung als Krozairkämpfer hatte der Duhrra keine Chance, dabei war er ein harter, muskulöser Mann, der seinen kahlen Schädel wie eine Ramme einsetzen konnte. Trotz aller Tricks mußte ich sehr vorsichtig sein.
Der Kampf lohnt das Berichten kaum, denn ich war gewillt, Duhrra rücksichtsvoll zu behandeln. Er versuchte mich zu packen, als ich vortrat, und ich lockte ihn aus der Reserve. Dann tat ich etwas, daß ich in Zy und später mit Turko dem Khamorro in unserer kleinen Übungsarena in Esser Rarioch oft geübt hatte – ich griff zu, drehte und wendete mich und ließ ihn trotz seiner Körpermasse rotieren und haltlos rücklings auf den Rücken fallen.
»Hai, Jikai!« sagte ich automatisch, ein Ausruf, der in dieser Welt jedoch nichts bedeutete.
Die Menge war einen Augenblick lang wie erstarrt, ehe lauter Applaus aufbrandete, den ich aber nicht verdient hatte. Ich streckte Duhrra die Hand hin und zerrte ihn hoch. Ich blickte in die matten dunklen Augen und sah darin einen mir nur zu gut bekannten Ausdruck. Ich wußte nicht, ob ich mich freuen oder mich um die neue Verantwortung sorgen sollte.
Naghan der Schausteller war entsetzt und versuchte Ausflüchte zu machen.
»Das Goldstück, Naghan!«
Schließlich gab er seinen Schatz her.
Ich hielt das Ding in der Hand, das noch warm war von seiner Klaue, und bückte mich, um meinen Gürtel und Mantel wieder anzulegen. Im gleichen Moment erklangen die ersten schrillen Entsetzensschreie.
Alles lief durcheinander. Ein Stück entfernt, wo die Vorräte aufgestapelt lagen, brach Panik aus. Ich hörte wildes Kriegsgeschrei und Waffengeklirr und nach langer Zeit wieder einmal das verhaßte schrille: »Magdag! Magdag! Grodno! Grün! Grün!«
Das Langschwert erbebte in meiner Faust.
Naghan der Schausteller schrie ebenfalls und ergriff die Flucht. Duhrra warf sich einen roten Mantel um und folgte ihm. Ich blieb den beiden auf den Fersen. Sie mußten sich auf diesem kleinen Jahrmarkt außerhalb des Armeelagers am besten auskennen. Die Grodnim kamen vom Meer. Ihr Ziel war es, die Vorräte im Rücken des Gegners zu vernichten. Die Zivilisten hier, die sich im Gefolge der Armee bewegten, waren einer solchen Attacke hilflos ausgeliefert. Wollten sie überleben, mußten sie fliehen. Ich hatte keine Lust zur Flucht, andererseits wollte ich an einer Stelle kämpfen, wo meine Mühen auch Erfolg haben konnten. Sollte ich jetzt bei dieser sinnlosen Attacke umkommen, wären all meine höheren Ziele verraten gewesen. Ich mußte das natürliche Gefühl
Weitere Kostenlose Bücher