Die Giftköchin
lag ve r lassen da, es waren keine Polizisten zu sehen, kein Begräbnisauto, aber auch nicht mehr die Leiche von Pertti Lahtela. Der Tote lag nicht mehr dort, die Bank war leer, nichts wies darauf hin, daß auf demselben Sitz tags zuvor ein Mann an Gift gestorben war, daß dort eine Leiche gelegen hatte.
Unendlich erleichtert setzte sich Linnea Ravaska auf die Bank. Sie überdachte die Situation: Jemand hatte die Leiche weggeschafft, allein konnte sie sich nicht vom Friedhof entfernt haben. Wer mochte dahinterstecken? Die Polizei? Die Friedhofsverwaltung? Kauko Nyyss ö nen? Raija Lasanen? Hatte irgendein Außenstehender die Leiche für eigene frivole Zwecke geraubt? Angeblich war es bereits vorgekommen, daß Tote aus den Leiche n hallen für die nächtlichen Orgien verdrehter Hexen entwendet wurden. Nun, Pertti Lahtelas schäbiger Leichnam hatte solche menschlichen Bestien vermutlich nicht interessiert. Fragen drängten sich auf, aber der stille Begräbnisplatz gab keine Antworten.
Linnea holte die mitgebrachten Mandeln hervor und lockte die Eichhörnchen, sich das Futter abzuholen. Aber sie hätte es wissen müssen, kein einziges hungr i ges Tier war auf dem ganzen Friedhof zu sehen. Linnea verstreute den Inhalt der Tüte über einige Grabhügel und machte sich dann auf den Weg nach Hause. Ja, denn jetzt empfand sie Jaakko Kivistös Wohnung bereits als ihr Zuhause. Auch ein alter Mensch lebt sich eben schnell in neue Verhältnisse ein, wenn man gut zu ihm ist.
Unterwegs besuchte Linnea eine Alkoholhandlung und kaufte für Jaakko eine kleine Flasche Kognak und für sich selbst ein wenig Sherry. Ihr schien, an diesem Abend bestehe Anlaß, ein paar Gläschen zu trinken. Wie gern hätte sie auch jenem freundlichen Menschen einen guten Kognak angeboten, der Pertti Lahtelas Leiche vom Friedhof fortgeschafft hatte!
In einer Telefonzelle suchte sich Linnea Raija Las a nens Nummer heraus und rief dort an. Kauko Nyyss ö nens aufgeregte Stimme meldete sich. Linnea legte auf. Normalerweise handelte sie nicht so unhöflich, doch in Kaukos Fall konnte sie nicht anders.
14
Kauko Nyyssönen und Jari Fagerström saßen untätig und todernst in Raija Lasanens Wohnung in der Eeri k straße. Sie hatten ihren Freund Pertti Lahtela mit Li n nea bereits am vergangenen Abend erwartet, doch er war spurlos verschwunden. Jari hatte verabredungsg e mäß einen Volvo-Kombi gestohlen, der Wagen war vol l getankt. Kauko Nyyssönen hatte Abfallsäcke und eine Axt mitgebracht, all dies ebenfalls im Hinblick auf die geplante Liquidierung Linneas. Aber Pera war nicht eingetroffen und somit auch nicht die Witwe Linnea Ravaska.
Die Männer riefen Raikuli in der Bar an. Sie bericht e te, Pera habe am vergangenen Tag ein wenig nervös von irgendwo aus der Stadt bei ihr angerufen und gesagt, er wolle in der Eerikstraße allein sein.
»Er hatte da irgendwas Persönliches zu erledigen, was anderes kann ich auch nicht sagen.«
Raikuli hatte bei einer Arbeitskollegin übernachtet und wußte nichts weiter von Pera. Er pflegte allerdings hin und wieder, eigentlich ziemlich oft, für mehrere Tage zu verschwinden. Manchmal war er sogar zwei Wochen lang unauffindbar, aber er kehrte stets zurück, wenn das Geld alle war.
Natürlich erzählten die beiden Raikuli nicht, bei we l cher Aktion Pertti Lahtela verschwunden war. Raikuli sagte, sie wolle diese Nacht wieder nach Hause kommen, die beiden sollten sich gefälligst bis zum Abend verdü n nisieren.
Jari Fagerström äußerte anschließend die Vermutung, Pera sei reuig geworden, habe sich davongemacht und Linnea die Flucht ermöglicht. Die Sache mit Linnea hätte von Anfang an ernster genommen werden müssen. Wenn er, Jari, das hätte erledigen dürfen, würde die Alte schon längst irgendwo auf dem Grund einer Kiesgrube vermodern. Kauko Nyyssönen bat ihn, mit etwas mehr Respekt von seiner Tante zu sprechen. Wenn sie auch eine bestialische Giftmischerin sei, so sei sie doch i m merhin entfernt mit ihm verwandt, nicht direkt, aber durch Eheschließung.
Sie überlegten, ob es Linnea eventuell geglückt war, Lahtela zu entkommen. Vielleicht verfolgte er sie jetzt gerade quer durch Finnland?
Es war natürlich auch möglich, daß sie Widerstand geleistet und Pera irgend etwas Schlimmes zugefügt hatte. Dies erschien ihnen jedoch als rein theoretische Variante. Eine schwächliche, betagte Alte würde ja kaum etwas bewirken, selbst wenn sie um ihr Leben kämpfte.
Am Nachmittag gab es einen seltsamen
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