Die Giftköchin
ten die Kerle auf einmal die ehrbaren Bürger. En t täuscht und wütend kehrte Raija Lasanen in ihre Wo h nung zurück. Sie wußte nicht recht, was sie tun sollte.
»Männer können verdammt teuer werden«, klagte Ra i ja untröstlich. Wenn sie wenigstens einen Freund oder eine Freundin hätte, jemanden, dem sie all diese Sorgen erzählen könnte, aber niemand hatte Raikuli je ernstg e nommen. Raija spürte, daß man sie für dumm hielt. Es stimmte wohl, sie wußte, daß sie ein Schaf war, aber mußten die Leute zu einem dummen Menschen immer so gemein sein? Raija war von klein auf zu Hause als dumme Trine beschimpft worden, in der Schule war sie ein ums andere Mal sitzengeblieben und hatte den Spott als dämlichstes Mädchen der Klasse ertragen müssen. Nach der Schule hatte sie nur schlechtbezahlte Arbeit bekommen, solche, die keinen Verstand erforderte, und selbst dort bezeichnete man sie manchmal offen als Idiotin und lachte über alles, was sie tat, egal, ob es gut oder schlecht war. Das war so ungerecht, es machte einen traurig, wenn man stets und ständig nur getadelt oder enttäuscht wurde. So wie jetzt durch Kake und Jari. Kerle waren oft schlimmer als Frauen.
Das Telefon klingelte, eine feine, alte Dame war am Apparat, ihre Stimme klang sanft und lieb. Sie sprach sehr schön und gebildet und entschuldigte sich, falls sie zur falschen Zeit anriefe. Sie fragte, ob Fräulein Lasanen kürzlich einen tragischen Verlust erlitten habe und ob sie, die Anruferin, irgendwie helfen könnte.
»Ja, mein Freund ist gestorben, der hat wohl von Hasch oder irgendwas anderem ein bißchen zuviel g e nommen. Ich weiß gar nicht, wie ich mit diesem ganzen Theater fertig werden soll«, klagte Raija.
Die Dame am Telefon sprach ihr Beileid aus und schlug ein Treffen vor. Man könnte von Frau zu Frau über alles reden, vielleicht wäre das eine Hilfe? Die Dame erzählte, sie sei schon alt und habe nicht mehr lange zu leben, und so habe sie beschlossen, ihre letzten Tage damit zu verbringen, ihren Nächsten zu helfen und sie bei der Trauerarbeit zu unterstützen. Es handle sich um nichts Offizielles, sie sei nur ein gewöhnlicher Mensch, der Seelenqualen kenne, und habe die Zeit und den Wunsch und auch die Möglichkeiten für diese barmherzige Tätigkeit, wenn man es überhaupt so ne n nen dürfe. »Kannten Sie Pera oder weshalb rufen Sie an?« fragte Raija, gerührt von der Herzlichkeit der Frau.
Diese erzählte, sie habe den Verstorbenen nicht b e sonders gut gekannt, habe ihn früher einmal getroffen, doch darüber könnte sie unter vier Augen mehr erzä h len.
Die Frauen vereinbarten ein Treffen in Ekbergs Cafe auf dem Boulevard. Raikuli hätte sich mit der unb e kannten Frau am liebsten in die nahegelegene Se e mannsgaststätte gesetzt, doch die Anruferin vermutete, dort sei es vielleicht zu laut für vertrauliche Gespräche.
15
Linnea Ravaska traf am folgenden Tag zur verabredeten Zeit bei Ekberg ein. Als Raija Lasanen sie gefragt hatte, wie sie zu erkennen sei, hatte Linnea gesagt, sie sei fast achtzig Jahre alt und werde beim Cafebesuch ein hel l blaues Kostüm sowie einen Hut gleicher Farbe mit e i nem kleinen dunkelgrünen Blumenschmuck auf der linken Seite tragen. Bei diesen Erkennungsmerkmalen bestehe keine Gefahr eines Irrtums. Linnea wählte einen Fenstertisch zur Straße hin und wartete auf Pertti La h telas trauernde Freundin. Inzwischen gab sie die Beste l lung auf, zwei Tee und zwei Stück Sachertorte.
Bald erschien eine vielleicht fünfundzwanzigjährige, resolut wirkende junge Frau mit rundem Gesicht, sie trug einen stahlblauen Rock und eine langärmelige schwarze Bluse. Sie war stark geschminkt und ve r strömte den Duft eines schweren Parfüms. Sie sah sich suchend unter den Gästen um, entdeckte Linnea und trat näher. Sie sagte, sie sei Raija Lasanen, einfach nur Raikuli. Linnea reichte ihr die Hand ohne aufzustehen und murmelte irgendeinen Namen, den sie nicht einmal selbst verstand.
Der Tee und die Torte wurden gebracht.
An der Sprache der jungen Frau war zu erkennen, daß sie keine besondere Bildung und auch sonst nicht viel Niveau hatte. Sie war dennoch auf ihre Art lieb und offen, dieser Eindruck gründete vor allem auf der Gu t gläubigkeit, die sie ausstrahlte. Linnea merkte sofort, daß sie Raija mochte, obwohl diese eindeutig zu einer wesentlich niedrigeren sozialen Schicht gehörte als die alte Offizierswitwe.
Das Mädchen hatte in letzter Zeit viel geweint und b e stimmt auch viel
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