Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Meisterin - The Magician's Guild 3: The High Lord
irgendwelchen Häusern vorbeigekommen war, hatte man diese Gebäude in der tiefen Dunkelheit jedenfalls nicht wahrgenommen. Die Straße folgte dem gewundenen Lauf der Hochtäler und führte durch steile Schluchten. Gelegentlich erhaschte Sonea einen Blick auf Felsvorsprünge über ihr. Es wurde stetig kälter, bis ihr nichts anderes mehr übrig blieb, als Tag und Nacht eine Wärmebarriere um sich herumzulegen.
Sie sehnte das Ende der Reise herbei und fürchtete es gleichzeitig. Es ging jetzt ständig bergauf, so dass sie ein wenig anders im Sattel saß als zuvor und vollkommen neue Muskelpartien mit Schmerzen auf sich aufmerksam machten. Außerdem hatte der grobe Stoff ihrer Hose ihr die Haut wund geschürft, und sie musste sich mehrmals am Tag heilen, um den Schmerz zu lindern.
»Halt!«
Als sie Balkans Befehl hörte, stieß Sonea einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie hatten seit dem Morgen keine Pause mehr gemacht. Sie spürte, wie ihr Pferd tief Luft holte, als es zum Stehen kam, und sie dann schnaubend wieder ausblies.
Mehrere Männer aus ihrer Eskorte saßen ab, um die Pferde zu versorgen. Akkarin starrte in die Ferne. Als Sonea seinem Blick folgte, stellte sie fest, dass man durch eine Lücke in den Bäumen auf das Land unterhalb der Berge blicken konnte. Eine sanft gewellte Landschaft lief in der Ferne in eine flache Ebene aus. In den Tälern zwischen den Hügeln schimmerten schmale Flüsse und Bäche. Alles erstrahlte im warmen Licht der Nachmittagssonne, und der Horizont war nur eine in Nebel gehüllte Linie. Und irgendwo dahinter lag Imardin. Ihr Zuhause.
Mit jedem Schritt der Reise entfernte sie sich weiter von allem, was sie je gekannt hatte: von ihrer Familie, ihren alten Freunden, Cery, Rothen, Dorrien. Die Namen der Menschen, die ihr während der letzten Jahre ans Herz gewachsen waren, gingen ihr durch den Kopf: Tania, Dannyl, Tya und Yikmo - und selbst einige der Novizen. Vielleicht würde sie keinen von ihnen jemals wiedersehen. Bei den meisten von ihnen hatte sie nicht einmal die Chance gehabt, sich zu verabschieden. Ihre Kehle schnürte sich zusammen, und Tränen stiegen in ihr auf.
Sie schloss die Augen und zwang sich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Dies ist weder die Zeit noch der Ort, um zu weinen. Nicht jetzt, da Balkan und die anderen Magier sie beobachteten - und vor allem nicht vor Akkarin.
Sie schluckte heftig und wandte sich von dem Bild, das sich ihr bot, ab.
Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie eine Veränderung in Akkarins Zügen. Bevor sich die vertraute Maske wieder über sein Gesicht legte, las sie dort für einen kurzen Moment tiefe Enttäuschung und Verbitterung. Verstört von dem, was sie gesehen hatte, senkte sie den Blick.
Osen begann, Brot, kaltes, gekochtes Gemüse und Brocken gesalzenen Fleisches zu verteilen. Akkarin nahm seinen Anteil schweigend entgegen und verfiel wieder in dumpfes Brüten. Sonea kaute langsam, fest entschlossen, alle Gedanken an die Gilde aus ihrem Kopf zu verdrängen und sich stattdessen auf die kommenden Tage zu konzentrieren. Wo würden sie in Sachaka Nahrung finden? Das Gebiet jenseits des Passes war Wüstenland. Vielleicht konnten sie etwas zu essen kaufen. Würde Balkan ihnen Geld geben?
Schließlich kehrte Osen an ihre Seite zurück und bot ihr einen Becher mit gewässertem Wein an. Sie leerte ihn schnell und gab ihn Osen zurück. Er zögerte, als wolle er etwas sagen, und sie straffte schnell die Schultern und wandte den Blick ab. Sie hörte einen Seufzer und dann Schritte, die sich entfernten, als Osen zu seinem Pferd zurückkehrte.
»Weiter«, rief Balkan.
Der dichte Baumbestand wurde nun immer häufiger von blankem Fels abgelöst. Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, als die Straße schließlich gerade wurde und zwischen zwei hohen, glatten Felswänden verlief. Vor ihr ragte, in das orangefarbene Licht der untergehenden Sonne getaucht, ein gewaltiger Steinquader auf, dessen Front durch winzige, quadratische Öffnungen gegliedert war.
Das Fort.
Während sie sich dem Gebäude näherten, konnte Sonea den Blick nicht mehr von der Festung lösen. Im Geschichtsunterricht hatte sie gelernt, dass das Fort kurz nach dem Sachakanischen Krieg erbaut worden war. Es war größer, als sie erwartet hatte, wahrscheinlich doppelt oder sogar dreimal so groß wie das Hauptgebäude der Universität. Der gewaltige Steinquader versperrte die schmale Lücke zwischen den beiden hohen Felswänden. Wer immer diesen Weg nahm - es
Weitere Kostenlose Bücher