Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Meisterin - The Magician's Guild 3: The High Lord
Luft.
»Ich bedaure, dass ich dich von Rothen getrennt habe. Ich weiß, dass er für dich eher ein Vater als ein Lehrer war.«
Sonea betrachtete sein in der Dunkelheit verborgenes Gesicht und suchte nach seinen Augen.
»Es war notwendig«, fügte er sanft hinzu.
»Ich weiß«, flüsterte sie. »Ich verstehe.«
»Aber damals hast du es nicht verstanden«, sagte er trocken. »Du hast mich gehasst.«
Sie kicherte. »Das ist wahr. Aber ich hasse Euch nicht mehr.«
Nach kurzem Schweigen erhob er sich, ging zu dem Felsüberhang und legte sich auf das Bett aus Gras. Lange Zeit saß Sonea in der Dunkelheit. Schließlich wurde der Himmel langsam heller, und die Sterne verblassten und verschwanden. Sie hatte keine Mühe, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, und sie wusste, dass nicht allein ihre heilende Energie dafür verantwortlich war. Akkarins plötzlicher Dank und seine Entschuldigung hatten in ihr Hoffnungen und Wünsche wachgerufen, die sie seit Tagen auszulöschen versuchte.
Kleine Närrin, schalt sie sich. Er will einfach nur nett sein. Nur weil er endlich deine Hilfe angenommen hat und bedauert, was er dir angetan hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er in dir mehr sieht als eine nützliche, wenn auch unerwünschte Gefährtin. Ansonsten interessiert er sich nicht für dich, also hör auf, dich zu quälen.
Aber wie sehr sie auch dagegen ankämpfte, wann immer er sie berührte oder auch nur ansah, durchlief sie ein seltsames Kribbeln. Und die Tatsache, dass sie ihn immer wieder dabei ertappte, dass er sie beobachtete, machte die Sache auch nicht besser.
Sie schlang die Arme um die Knie und trommelte mit den Fingern auf die Waden. Als sie noch in den Hüttenvierteln gelebt hatte, hatte sie geglaubt, alles zu wissen, was sie über Männer und Frauen wissen musste. Später hatten ihr die Lektionen in Heilkunst gezeigt, wie wenig sie wirklich begriffen hatte. Jetzt stellte sie fest, dass nicht einmal die Heiler ihr irgendetwas Nützliches beigebracht hatten.
Aber vielleicht hatten sie ihr deshalb nicht erzählt, wie man solche Gefühle ausschalten konnte, weil das nicht möglich war. Vielleicht …
Ein leises Geräusch - eine Art Knurren - hallte durch das Tal. Sonea erstarrte, ihr Geist wurde plötzlich vollkommen still, und sie starrte in die Düsternis hinaus. Das Geräusch erklang abermals, von hinten, und mit einer fließenden Bewegung stand sie auf und wirbelte herum. Als ihr klar wurde, dass das Geräusch von irgendwo in Akkarins Nähe kam, stieg jähe Furcht in ihr auf. War da irgendein nächtliches Geschöpf, das um ihn herumschlich? Sie lief zu ihm hinüber.
Am Felsüberhang angekommen, spähte sie in die Düsternis, konnte jedoch kein Tier entdecken, das sich zum Angriff bereitmachte. Akkarins Kopf rollte hin und her. Als Sonea näher kam, stöhnte er.
Sie blieb stehen und betrachtete ihn. Er hatte wieder einen Albtraum. Erleichterung und Sorge stiegen in ihr auf. Sie überlegte, ob sie ihn wecken sollte, aber wenn sie das tat, hatte seine Miene stets klar gemacht, dass es ihm nicht gefiel, wenn sie ihn in diesen Augenblicken der Schwäche sah.
Was das betrifft, dachte sie, mir gefällt es auch nicht.
Er stöhnte abermals. Sonea zuckte zusammen, als das Geräusch ein lautes Echo im Tal fand. Geräusche trugen weit in den Bergen, und Sonea mochte sich nicht vorstellen, wer da vielleicht lauschte. Es spielte keine Rolle, ob er es mochte oder nicht, sie musste ihn aufwecken, bevor er unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
»Akkarin«, wisperte sie heiser. Er wurde wieder ruhig, und sie dachte, sie hätte ihn geweckt, aber dann war er plötzlich von Kopf bis Fuß angespannt.
»Nein!«
Erschrocken kam Sonea näher. Seine Augäpfel bewegten sich wild unter den Lidern. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Sie streckte die Hand nach ihm aus, weil sie ihn wachrütteln wollte.
Das leichte Brennen eines Schilds traf auf ihren Finger. Sie sah, wie Akkarin die Augen aufriss, dann spürte sie einen Kraftschlag, der sie hoch in die Luft schleuderte. Sie stieß mit dem Rücken gegen etwas Hartes und fiel wieder zu Boden. Schmerz schoss durch ihre Arme und Beine.
»Sonea!«
Im nächsten Moment wurde sie auf den Rücken gedreht. Akkarin blickte auf sie hinab.
»Bist du verletzt?«
Sie untersuchte sich schnell. »Nein, ich denke, es sind nur ein paar Prellungen.«
»Warum hast du mich geweckt?«
Sie betrachtete seine Hände. Selbst im schwachen Licht der Dämmerung konnte sie sehen, dass sie
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