Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Novizin - The Magician's Guild 2: The Novice
außerhalb des eigenen Körpers Magie zu wirken. Je weiter dasjenige, worauf Einfluss genommen werden soll, vom eigenen Körper entfernt ist, umso größere Anstrengung ist vonnöten. Das gleiche Gesetz der Entfernungsäquivalenz gilt für die Gedankenrede, auch wenn sie nicht so kräftezehrend ist wie die meisten anderen magischen Tätigkeiten.
All das wusste sie bereits von Rothen, aber sie las dennoch weiter. Einige Zeit später - sie war schon ziemlich weit vorangekommen und wollte gerade mit der vierten Lektion beginnen - kamen zwei Novizen in den Raum zurück. Der erste war Gennyl, der zur Hälfte lonmarischer Herkunft war und bei der Aufnahmezeremonie ebenfalls einen Mentor zugewiesen bekommen hatte. Sein Begleiter war der andere Junge aus Lonmar. Die beiden warfen Sonea nur einen kurzen Blick zu und setzten sich wieder auf ihre Plätze. Sie konnte eine Veränderung bei ihnen wahrnehmen, als habe ihre Aura sich verstärkt. Das bedeutete vermutlich, dass ihre Kräfte freigesetzt worden waren. Sie würden schon bald lernen, diese Tatsache zu verbergen, so wie sie selbst es gelernt hatte. Anscheinend war es weder schwierig noch zeitaufwendig, die erste Stufe der Kontrolle zu erreichen. Die zweite Stufe zu bewältigen war härter, wie sie wusste.
Die beiden Jungen begannen in der Sprache ihres Heimatlandes ein leises Gespräch. Dann trat ein weiterer Novize in den Raum - ein kyralischer Junge mit dunklen Ringen unter den Augen. Er setzte sich auf seinen Platz und starrte schweigend auf sein Pult.
Auch bei diesem Jungen konnte sie eine magische Aura spüren, die aber merkwürdigerweise sprunghaft zu pulsieren schien, so dass sie einmal sehr stark und dann wieder kaum wahrnehmbar war. Da sie den Jungen nicht noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen wollte, wandte sie den Blick von ihm ab. Bis die anderen Novizen sowohl die erste als auch die zweite Stufe der Kontrolle erlangt hatten, würde sie wahrscheinlich noch alle möglichen Eigentümlichkeiten bei ihnen wahrnehmen.
Ein Lachen draußen vor der Tür erregte ihre Aufmerksamkeit, bevor sie sich von neuem ihrer Lektüre zuwenden konnte. Diesmal kamen fünf Novizen gleichzeitig herein; einzig Regin fehlte noch. Da kein Lehrer in Sicht war, gaben sie sich lässig, setzten sich auf ihre Pulte oder standen in kleinen Grüppchen beisammen. Sonea spürte die magische Aura ihrer Mitschüler wie ein Summen in ihrem Blut.
Niemand sprach sie an, was sie gleichzeitig erleichterte und enttäuschte. Die anderen wussten nicht, was sie von ihr erwarten sollten, überlegte sie, deshalb mieden sie sie. Sie selbst musste den ersten Schritt tun. Wenn sie nicht auf die anderen zuging, würden sie womöglich zu dem Schluss kommen, dass sie nichts mit ihnen zu tun haben wollte.
Das hübsche Mädchen aus Elyne saß ganz in ihrer Nähe und rieb sich die Schläfen. Sonea konnte sich noch gut daran erinnern, dass der Kontrollunterricht bei Rothen auch ihr Kopfschmerzen beschert hatte, und sie fragte sich, ob dieses Mädchen vielleicht empfänglich für ein wenig Mitgefühl wäre. Langsam und um einen selbstbewussten Ausdruck bemüht stand sie auf und ging zum Tisch des Mädchens hinüber.
»Es ist nicht leicht, nicht wahr?«, fragte Sonea vorsichtig.
Die junge Elynerin sah überrascht auf, dann zuckte sie die Achseln und senkte den Blick wieder auf ihr Pult. Als sie keine Antwort bekam, befürchtete Sonea schon, dass das Mädchen sie einfach ignorieren würde, und sofort stieg leichte Übelkeit in ihr auf.
»Ich mag sie nicht«, sagte das Mädchen plötzlich. Es sprach mit einem starken elynischen Akzent.
Sonea blinzelte verwirrt. »Wen magst du nicht?«
»Lady Kinla«, erwiderte das Mädchen gereizt. Sie dehnte die Silben des Namens der Magierin, so dass er wie »Kiehnlar« klang.
»Sie hat dich Kontrolle gelehrt? Hmmm, das muss dir die Sache sehr erschwert haben.«
»Lady Kinla ist bestimmt kein schlechter Mensch, das will ich damit nicht gesagt haben«, seufzte das Mädchen. »Es ist nur so, dass ich sie nicht in meinen Gedanken haben will. Sie ist so...« Die junge Elynerin schüttelte derart heftig den Kopf, dass ihre roten Locken um sie herumtanzten.
Der Stuhl vor dem Mädchen war leer, und Sonea nahm nun darauf Platz. »Möchtest du nicht, dass sie gewisse Dinge in deinen Gedanken sieht?«, hakte sie nach. »Dinge, die nicht falsch oder böse sind, von denen du aber einfach nicht möchtest, dass ein anderer sie erfährt?«
»Ja, das ist es.« Ein gehetzter Ausdruck
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