Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Novizin - The Magician's Guild 2: The Novice
und fragte sich, welcher Anlass so viele von ihnen hierher geführt haben mochte. Heute war kein Versammlungstag, daher musste es einen anderen Grund geben.
»Ich an deiner Stelle würde keine Aufmerksamkeit auf mich lenken«, erklang eine Stimme dicht an ihrem Ohr.
Sie drehte sich um. Regin starrte sie an.
»Sie könnten zu dem Schluss kommen, dass sie eine Ratte übersehen haben«, sagte er, und in seinen Augen lag ein hämischer Glanz.
Sie wich vor ihm zurück; sie war zwar verwirrt, wusste aber gleichzeitig, dass sie gar nicht erfahren wollte, wovon er geredet hatte. Als er das Unverständnis in ihren Zügen sah, lachte er boshaft auf und trat einen Schritt auf sie zu.
»Oh, du kapierst es nicht, hm?« Sein Grinsen war hässlich. »Hattest es wohl vergessen? Heute ist für Abschaum wie dich der größte Festtag des Jahres. Der Tag der Säuberung.«
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Die Säuberung. Seit vor über dreißig Jahren die erste Säuberung stattgefunden hatte, sandte der König in jedem Jahr die Garde und die Gilde aus, um die Straßen der Stadt von »Vagabunden und Missetätern« zu reinigen. Der Zweck des Unternehmens, so behauptete jedenfalls der König, bestand darin, die Straßen sicherer zu machen, indem man schäbige kleine Diebe von dort wegschaffte. In Wahrheit stellte die Säuberung für die Diebe nicht einmal eine ernsthafte Unannehmlichkeit dar; sie hatten ihre eigenen Wege in die Stadt und wieder heraus. Nur die armen, obdachlosen Menschen wurden in die Hüttenviertel zurückgetrieben. Und, im Fall ihrer eigenen Familie vor einem Jahr, auch jene, die Räume in »überfüllten und gefährlichen« Bleibehäusern gemietet hatten. Sonea war an jenem Tag so wütend gewesen, dass sie sich einer Bande Jugendlicher angeschlossen hatte, die die Magier mit Steinen bewarfen, und bei dieser Gelegenheit waren zum ersten Mal ihre Kräfte entfesselt worden.
Regin lachte vor Wonne. Sonea kämpfte ihren Ärger nieder und zwang sich weiterzugehen. Regin versperrte ihr jedoch den Weg. Sein Gesicht war verzerrt von Triumph und grausamer Befriedigung, und Sonea war dankbar dafür, dass keine Novizen an der Säuberung teilnahmen. Dann dachte sie an die Zukunft und schauderte. Offensichtlich freute sich Regin schon auf den Tag, an dem er seine Kräfte nutzen konnte, um hilflose Bettler und notleidende Familien aus der Stadt zu vertreiben.
»Lauf nicht weg«, sagte Regin und deutete mit dem Kopf auf die Halle. »Möchtest du deinen Mentor nicht fragen, ob er sich gut amüsiert hat?«
Rothen? Er würde doch nicht... In der festen Überzeugung, dass Regin sich wieder einmal einen seiner bösen Scherze mit ihr erlaubte, drehte sie sich um. Sie ließ den Blick über die Gestalten in der Halle wandern und entdeckte in einer Gruppe ganz in ihrer Nähe ein vertrautes Gesicht. Rothen.
Plötzlich war ihr kalt. Wie konnte er sich an der Säuberung beteiligen, obwohl er doch wusste, wie sie dazu stand? Aber andererseits konnte er sich dem Befehl des Königs nicht widersetzen...
Oh doch, das konnte er! Nicht alle Magier beteiligen sich an der Säuberung. Er hätte einen anderen an seiner Stelle schicken können!
Als hätte er ihren Blick gespürt, sah Rothen jetzt in ihre Richtung. Als er Regin an ihrer Seite bemerkte, runzelte er die Stirn.
Regin kicherte. Plötzlich hatte Sonea nur noch den Wunsch fortzukommen. Sie drehte sich um und ging an Regin vorbei hinaus ins Freie. Regin folgte ihr und verhöhnte sie, bis sie die Magierquartiere erreicht hatten und er endlich von ihr abließ. In Rothens Quartier angekommen, stellte sie erleichtert fest, dass niemand dort war. Sie wollte auch Tania im Moment nicht sehen, weil sie befürchtete, sie würde die Dienerin vielleicht aus purer Verärgerung ungerecht anfahren.
Kurze Zeit später wurde jedoch die Tür geöffnet.
»Sonea.«
Rothen betrachtete sie mit entschuldigender Miene. Sie antwortete nicht, sondern trat ans Fenster und starrte hinaus.
»Es tut mir Leid, ich weiß, dass dir das wie ein Verrat vorkommen muss«, sagte er. »Ich wollte dir erzählen, dass ich mit den anderen in die Stadt fahren würde. Aber ich habe es immer wieder hinausgeschoben, und ich habe erst heute Morgen in aller Frühe erfahren, dass die Säuberung an diesem Tag stattfinden sollte.«
»Ihr hättet es nicht tun müssen«, sagte sie. Ihre Stimme klang wie die einer Fremden, dunkel vor Zorn.
»Oh doch, ich musste es tun«, widersprach er.
»Nein, das ist nicht wahr. Ihr hättet
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