Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Eröffnungsangebot machen zu müssen, erkannte sie doch, dass sie wahrscheinlich keine andere Wahl hätte. Die Priester hatten hier immerhin alles zu bieten. Das hatte Hal bereits zugegeben. Nachdem sie ein Stück Brot hinuntergeschluckt hatte, sagte sie: »Ganz Moren ist dankbar, dass die Kirche verschont wurde. Sonst könnten wir uns in unserer Not nicht an Euch wenden.«
Hal setzte seinen Pokal krachend auf dem Tisch ab. Rani weigerte sich, ihn anzusehen, selbst als er seine Hände vom Tisch anhob. Sie wusste, dass er seine Krone zurechtrücken würde, die Bewegung dazu benutzen würde, sie daran zu erinnern, dass er ihr König war, ihr Monarch und ihr Oberherr. Er war derjenige, der die Unterhaltung leiten sollte.
Nun, wenn er so entschlossen war, die Verhandlungen zu führen, wann wollte er dann damit beginnen?
Rani sah, dass der Priester kaum ein Lächeln unterdrücken konnte, während er sagte: »Ganz Morenia kann sich in der Not an die Kirche wenden. Darum gibt es uns, um im Namen der Tausend Götter Hilfe anzubieten.«
Hal nutzte den Vorteil der Eröffnung wieder nicht, und Rani seufzte, während sie ihre Elfenbeingabel niederlegte. Sie betrachtete den Priester mit stetigem Blick und sagte: »Wir freuen uns, Euch das sagen zu hören, Pater Dartulamino. Denn wir baten den Heiligen Vater zum Essen, damit wir vielleicht eine Anleihe der Mittel aushandeln könnten, die wir brauchen, um Moren wieder aufzubauen.«
»Rani.« Hal sagte nur ihren Namen, aber hinter diesem Wort verbarg sich eine vollständige Auseinandersetzung.
Sie wappnete sich und begegnete seinem Blick. »Euer Majestät?«
»Gewiss hatte der Heilige Vater nicht die Absicht, bei seinem Fasan um Goldbarren zu schachern.«
»Gewiss hat der Heilige Vater, Euer Majestät, die Not seiner Herden nicht erkannt. Er hat unsere Bedürftigkeit nicht bemerkt, unseren Wunsch, den Gläubigen zu helfen, die Jair und all den Tausend Göttern auf ewig dankbar wären, wenn sie nur ein Dach über dem Kopf, Essen auf ihren Tellern und Wein zu trinken hätten.«
Hals Zorn war eindeutig. Sein Kiefer wurde steinhart. Rani erkannte, dass sie ihre Grenzen überschritten hatte. Sie würde sich später mit ihm auseinandersetzen müssen. Sie würde es so erklären, dass Hal es verstand. Er sollte erkennen, dass sie Recht damit gehabt hatte, jetzt mit dem Handel zu beginnen. Sie wandte sich wieder an Dartulamino, an den Mann, der die Rolle der Kirche beim Wiederaufbau Morenias bestimmen würde. »Euer Gnaden, Ihr habt gewiss von der Feuerlunge in den Lagern gehört. Zweihundert Kinder sind betroffen, und täglich erkranken weitere. Ihre Eltern werden ebenfalls krank, alles gute Morenianer, die unsere Hilfe, unsere Unterstützung brauchen. Die Unberührbaren haben den größten Schaden erlitten, denn sie waren es, die Davins Geräte an ihren Platz schafften, sie waren es, die das Opfer brachten, das letztendlich gerettet hat, was von Moren noch übrig ist. Die Unberührbaren haben natürlich am wenigsten Mittel für Notzeiten, am wenigsten Nahrung und Schutz. Wir müssen ihnen helfen, wenn sie überleben sollen.«
»Mylady«, begann Dartulamino, und Rani konnte recht deutlich erkennen, dass er nicht die Absicht hatte, ihr zu geben, worum sie bat. Die Kirche würde erst helfen, wenn Hal teuer dafür bezahlte – mit Geld bezahlte, mit Treue bezahlte, mit Andacht bezahlte… Sie atmete tief ein, um den Priester zu unterbrechen, bevor er ein Argument vorbrachte, auf das sie nichts erwidern konnte.
»Dartulamino«, sagte der Heilige Vater, und Rani erkannte entsetzt, dass sie den alten Mann vergessen hatte. »Hilf mir, Sohn.« Der alte Priester bemühte sich, seinen Stuhl zurückzuschieben und auf die Füße zu kommen. »Wo .?«
Dartulamino eilte dem ältlichen Geistlichen zu Hilfe und schob eine Hand unter den Ellbogen des Heiligen Vaters. Der jüngere Priester unterdrückte jäh aufkommende Verärgerung, während er zu seinem König sagte: »Entschuldigt uns einen Moment, Verteidiger. Der Heilige Vater fragt, wo sich Euer nächstgelegener Waschraum befindet.«
Wenn Hal die Frage überraschte, so gelang es ihm, seine Empfindung nicht zu offenbaren. Stattdessen erhob er sich und deutete auf die Außentür des Raumes. »Ihr werdet dem Heiligen Vater den Gang hinab helfen müssen. Dort befindet sich eine mit einem Vorhang abgetrennte Nische, rechts um die Ecke.« Der alte Mann schritt zittrig zur Tür, stützte sich sowohl auf seinen Eichenstock als auch auf Dartulaminos
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