Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Mitspracherecht bei dem, was tatsächlich geschehen würde. Es war nicht so, als würde Teheboth ihr erlauben zu entscheiden, wen sie heiraten würde.
»Ich verstehe, Mylady«, zwang Hal sich höflich zu dem Kindermädchen zu sagen. Er richtete seine Tunika und blickte zur Prinzessin, deren Schultern nun zuckten – ob durch Tränen oder das hektische Atmen, konnte Hal nicht sagen. »Ich will Ihre Hoheit nicht noch mehr stören, als ich es bereits getan habe.«
Er verbeugte sich steif und wollte sich wieder der Tür zuwenden, aber Berylina rief aus: »Euer Majestät!« Sie schluchzte und wollte sich nicht umwenden, um ihn anzusehen. »Es tut mir leid, Mylord!«
Hals Herz klopfte in seiner Brust, als er daran dachte, welche Überwindung sie diese Worte gekostet haben mussten. »Nein, Euer Hoheit. Mir tut es leid. Ich wollte Euch nicht beunruhigen. Bei all den Tausend Göttern, Mylady, das war niemals meine Absicht.«
»B… Bei all den Tausend Göttern«, flüsterte Berylina, wobei ihre Worte am anderen Ende des Raumes kaum hörbar waren.
Bei ihrer schwachen Stimme trat Pater Siritalanu vor, als wäre er im hellen Schein des Sonnenraums gerade erst zum Leben erwacht. »Die Tausend Götter blicken auf alle ihre Kinder mit Wohlwollen herab, Mylady.« Die Stimme des Priesters klang jung und ernst und hallte durch den Raum.
»Ja, Pater«, antwortete Berylina und richtete ihren unsteten Blick auf den grün gekleideten Mann.
»Die Tausend Götter begünstigen die Tapferen, Mylady«, fuhr Siritalanu fort und trat aus Hals Schatten hervor.
»Ja, Pater«, wiederholte Berylina, und ihre Stimme klang stärker.
»Wollt Ihr mit mir beten, Mylady? Wollt Ihr Eure Stimme zum Ersten Pilger Jair und all den Tausend Göttern erheben?«
»Ja, Pater«, sagte Berylina noch einmal, und dann fügte sie hinzu: »Bitte.«
Siritalanu schaute zu Hal, als bitte er um Erlaubnis, und der König stimmte zu. Alles, wollte er sagen. Tut alles, um die Prinzessin am Schluchzen zu hindern und daran, so verzweifelt zu weinen, damit ihr das schreckliche Schicksal erspart bliebe, ihn zu heiraten.
Pater Siritalanu nickte, als akzeptiere er einen militärischen Auftrag, und durchschritt den Sonnenraum. Er kniete sich neben die Prinzessin und nahm ihre Hände zwischen seine, und wenn er bemerkte, dass sie schweißnass waren, so zeigte sich diese Erkenntnis auf seinem weichen, faltenlosen Gesicht nicht. Stattdessen nickte er einmal und hielt seine Stimme so leise, dass Hal ihn kaum hören konnte.
»Habt Ihr schon früher zu Nome gebetet, Mylady? Habt Ihr zum Gott der Kinder gebetet?«
»Ja«, sagte Berylina. »Aber seit vielen Wochen nicht mehr.«
»Dann lasst uns mit ihm sprechen. Lasst uns zu Nome sprechen, und dann zu einigen seiner Brüder. Im Namen Nomes, lasst uns beten.« Siritalanu beugte den Kopf, und die Bewegung führte ihn noch näher an die Prinzessin heran. Sie folgte seinem Beispiel, und ihr störrisches Haar wippte, während sie mit dem Priester formelle Worte zu flüstern begann.
Hal sah einen Moment zu. Er war Siritalanu dankbar dafür, dass er es übernommen hatte, die Prinzessin zu beruhigen. Er wartete, bis er Siritalanu sagen hörte: »Lasst uns auch zu Fen beten. Lasst uns zum Gott der Gnade beten.« Der Priester hatte heute Gnade im Sinn. Nun, Fen war der Richtige für Hal gewesen, warum sollte er die Gebete der Prinzessin nicht an dieselbe Adresse richten?
Hal tappte leise zur Tür. Die Kindermädchen beobachteten seine Bewegungen, als fürchteten sie, was er tun könnte, aber Berylina schien seinen Rückzug nicht zu beachten.
Siritalanu merkte es jedoch. Der Priester schaute auf, als Hal den Eingang erreichte, und blickte ihn mit ernsten Augen an. Der Geistliche legte eine Hand auf Berylinas drahtiges Haar und spreizte die Finger weit, als nehme er von jenen wirren Strähnen eine kostbare Essenz auf. Seine Lippen wölbten sich zu einem ruhigen und friedlichen Lächeln, das Hal sich bei einer Mutter in einem innigen Moment mit ihrem Kind vorstellen konnte. Siritalanu neigte leicht den Kopf und Hal drückte mit einem Nicken seinen Dank aus, bevor er den Sonnenraum verließ.
Erst als er außerhalb des Raumes stand, auf dem düsteren Treppenabsatz, begann er krampfhaft zu zittern. Was für ein Ungeheuer war er? Was für ein Mann war er, dass er seine zukünftige Braut so erschreckte, dass sie vor ihm davonlief, schluchzend in eine Ecke floh, in die Arme eines Priesters? Und welches Entsetzen würde Berylina erst
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