Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
ablegte. Crestman wirkte, als wollte er sich offen auflehnen, aber Ranis flehentlicher Blick ließ ihn schließlich einwilligen. Er ließ ein regelrechtes Arsenal zurück – sein amanthianisches Schwert, zwei Kurzdolche, einen langen Eisendorn, der in seinem Stiefel gesteckt hatte, und ein Eisenarmband, das beim Offnen üble Spitzen offenbarte.
Tovin schwieg und ging zu dem schweren Eisentor voraus, das den Eingang zur Spinnengilde blockierte. Als sie alle fünf vor der Einfriedung der Gilde standen, blickte der Gaukler über seine Schulter, als ermesse er die Zeit bis zum Sonnenaufgang. Er schien erfreut über das, was er sah – der Himmel färbte sich hinter ihnen weiß. Er nickte, und dann trat er vor und achtete darauf, genau in der Mitte einer großen, schwarzen Steinplatte zu stehen, die vor dem Tor lag. »Kommt mit«, sagte er. »Sie werden nicht aufmachen, wenn wir nicht alle hier stehen.«
Crestman wollte murren, aber Rani beruhigte ihn mit einem Blick. Da Tovin in der Mitte des dunklen Steins stand, stellte sich Rani rechts neben ihn und winkte Mair und Farso auf seine Linke. Die Augen des Unberührbaren-Mädchens blitzten, als kümmere sie der Befehl nicht, aber sie gehorchte und zog Farso mit sich. Crestman nahm seine Position an Ranis anderer Seite ein. Er stand so nahe, dass sie ihn atmen spüren konnte, die zornige Anspannung spüren konnte, die durch seine Haut, seine Arme, seinen ganzen Körper zuckte.
Rani schaute, um Beruhigung heischend, zu Tovin, aber der Gaukler schwieg. Sie glaubte, ein Lächeln auf seinen Lippen zu entdecken, ein ganz schwaches Lächeln, während er den Blick geradeaus richtete und die Mitte des massiven, eisenbewehrten Tores betrachtete.
Rani hielt den Atem an. Sie konnte hinter der Mauer Geräusche hören. Eisen quietschte, und ein rollendes, wiegendes Geräusch erklang, als würde ein Metallgestell über Kopfsteinpflaster gezogen. Die Geräusche waren vage vertraut, sie stiegen aus Ranis Vergangenheit herauf – die Geräusche des Händlerviertels, die an einem geschäftigen Morgen zu erklingen begannen.
Schließlich stieg die Sonne über den Horizont und überzog die Mauern der Spinnengilde-Enklave mit rötlichem Licht. Tovin spannte sich neben ihr an, und Rani hörte einen gedämpften Befehl hinter dem Tor. Sie wappnete sich und wandte sich dem Eingang zu. Dann, bevor sie auch nur flüsternd eine der Fragen stellen konnte, die ihr durch den Kopf gingen, bevor sie sich fragen konnte, worauf sie sich einließ, wurde die Tür in der Mitte des Tores ruckartig geöffnet.
Licht.
Benommen machendes, blendendes Licht.
Rani blinzelte gegen die Helligkeit an und schloss dann die Augen. Sie stolperte, versuchte, dem Licht zu trotzen, versuchte sich dazu zu bringen, durch das Tor ins Innere zu blicken.
Stattdessen wurde sie von groben Händen gepackt. Sie erkannte die Berührung eines Soldaten, der unpersönlich ihre Schultern ergriff, ihren Rumpf entlangfuhr und ihre Beine abtastete, während er nach Waffen suchte. Mair fluchte laut, und Crestman brüllte, so dass Rani erkannte, dass ihre Gefährten wohl ähnlich behandelt wurden. Sie war dankbar, dass sie Tovins Rat befolgt und ihr Messer in ihren abgenutzten Ledersatteltaschen gelassen hatte, denn es wäre bestimmt entdeckt worden.
Durch die lauten Flüche erfuhr Rani, dass Mair nicht so umsichtig gewesen war. »Das ist mein Messer, du Bastard!«, schrie das Unberührbaren-Mädchen.
»Ruhe!«, brüllte jemand, und Rani spürte, wie die ihren Körper absuchenden Hände grober wurden. Sie hörte Crestman einen furchtbaren Fluch ausstoßen und erkannte dann, dass Mair zu Boden gerungen wurde. Farso rief eine Herausforderung, und die Wächter der Spinnengilde reagierten mit ebenfalls scharfen Worten.
Rani warf den Kopf auf, versuchte zu erkennen, was geschah. Als sie ihre vom Licht geblendeten Augen nur einen kleinen Spalt weit öffnete und sich von ihren Gefangenenwärtern abwandte, konnte sie gerade eben Mairs Gestalt ausmachen, die auf dem schwarzen Stein ausgestreckt war. Ein Spinnengildewächter hielt einen Stiefel über ihren Hals. Farso kniete neben ihr, seine Hände hoch auf den Rücken gebunden, wodurch unfreiwillig eine Schlinge festgezogen wurde, die um seine Kehle lag. Der Adlige war erstarrt, denn jede Bewegung, die er machte, würde das Seil fester ziehen, würde ihm den Atem noch mehr abschnüren.
»Mair!«, rief Rani, aber dann hielt sie den Atem an – sie erkannte den Stich einer an ihre Kehle
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