Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
ihn misstrauisch anstarrte. »Für weiteres werdet Ihr die Lady selbst befragen müssen. Ich habe sie nur hierhergeführt. Ich weiß nichts von dem Handel, den sie abzuschließen hofft.«
So viel verstand Rani vom Verhandeln: Sie würde nichts gewinnen, wenn sie diesem Soldaten von ihren Plänen erzählte. »Meine Worte sind nur für den Gildemeister allein bestimmt. Ich werde meine Geschäfte mit ihm machen.«
»So, glaubt Ihr?«, grollte der Hauptmann. »Ihr kommt mit verborgenen Messern zu unseren Toren und erwartet, zu Meister Anigo geführt zu werden?«
Verflucht sei Mair für ihr Misstrauen! Verflucht sei sie dafür, dass sie immer Recht zu haben glaubte! Rani bemühte sich bei ihrer Erwiderung um einen ruhigen Tonfall. »Meine Begleiterin fürchtete, wir würden hier bei der Spinnengilde vielleicht nicht gut aufgenommen. Sie fürchtete, dass unser Willkommen rau sein könnte, und sie schwor, sich und mich vor Schaden zu bewahren.«
Wenn der Hauptmann die Ironie von Ranis Feststellung zu würdigen wusste, zeigte er es nicht. Er sah sie vielmehr einen langen Moment finster an. Er sah betont auf Ranis Kehle, und sie fragte sich, ob ihr Blut herabzutropfen begonnen hatte, ob es den oberen Rand ihres Kragens erreicht hatte. Sie straffte die Schultern und begegnete dem Blick des Soldaten.
Schließlich nickte der Hauptmann. »Also gut. Tovin Gaukler, Euer Wort wird für diese Frau gelten, und für den schweigenden Soldaten.« Er deutete mit dem Kopf auf Crestman. »Ihr drei könnt vor den Gildemeister treten. Diese beiden werden wir jedoch hierbehalten, bis Euer Geschäft erledigt ist.«
Mair zeterte durch ihren Knebel und wand sich heftig in den Händen ihrer Wächter, woraufhin Farso vorwärtssprang und keuchte, als das Seil in seine Luftröhre einschnitt. »Bitte!«, rief Rani aus, bevor die Wächter dem früheren Befehl ihres Anführers gemäß handeln konnten, Mair zu töten. »Wir können sie nicht hier zurücklassen! Sie sind meine Freunde! Sie wollten mich beschützen!«
»Sie werden keine Chance dazu bekommen.«
Rani wusste genug über die ruhige Einfachheit von Soldaten, um zu erkennen, dass sie diesen Mann nicht umstimmen könnte. Mair hatte die absolute Regel der Spinnengilde gebrochen. Sie hatte sich bewaffnet genähert.
Rani sagte: »Wenn einer von beiden durch Eure Hände auch nur eine Quetschung erleidet, werdet Ihr Euch vor dem König ganz Morenias dafür verantworten müssen. Sie sind König Halaravilli treu ergeben.«
Der Soldat zuckte die Achseln. »Sie werden unbeschadet bleiben, wenn sie nicht übereilt handeln, übereilter, als sie es bereits getan haben.«
Rani konnte nicht mehr tun. Mair und Farso würden es gewiss verstehen. Rani wäre töricht, wenn sie der Spinnengilde die Angelegenheit Morens nicht vortragen würde, nun wo sie so nahe am Ziel war. Nun wo Hal die Spinnen besaß. Sie richtete sich auf, beschwor all ihre königliche Haltung herauf, die sie im morenianischen Palast gelernt hatte. »Sorgt dafür, dass dies nicht geschieht.«
Rani schaute nicht zurück, während sie das von einer Mauer umgebene Gelände der Spinnengilde betrat. Sie konnte den Verrat nicht ermessen, den sie in Mairs Augen vorfinden würde, und auch nicht den wirkungslosen Zorn in Farsos. Stattdessen wischte sie das Blutrinnsal von ihrer Kehle fort und folgte Tovin ins Herz der Spinnengilde. Crestman trat neben sie.
Sie sagte sich, sie müsse sich die Wege einprägen, die sie nahmen, damit sie ihren Weg zum Tor zurückfinden würde. Diese Aufgabe war nicht leicht. Die Straßen trafen in seltsamen Winkeln aufeinander, irritierten Rani und verwirrten ihren Orientierungssinn. Die Wächter machten jähe Wendungen – zuerst nach rechts, dann nach links, dann nach links und wieder nach rechts.
Die Feste der Spinnengilde stand am höchsten Punkt innerhalb der Einfriedung, und jede Straße war steiler als die vorherige. Während sie hinaufstieg, konnte Rani den Kreis der mit Zinnen versehenen Mauern ausmachen, welche die Gilde umgaben, die bedrohlichen Steintürme, die kaum vierzig Fuß voneinander entfernt aufragten. Wächter hielten in jedem Turm Wache, und weitere Soldaten beschritten die breiten Brustwehren über der grasbewachsenen Ebene.
Bevor Rani erkannte, wie weit sie hinaufgestiegen war, kam die Gruppe auf einen riesigen zentralen Hof. Trotz ihrer besten Absichten, trotz ihres Schwurs, distanziert und unbeeindruckt zu bleiben, keuchte Rani wegen des Gebäudes, das die Mitte des
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