Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
muss.« Ihre Stimme bebte.
»Dann wirst du sie nehmen, eine nach der anderen. Du wirst Nektar einnehmen müssen, oder? Deine Haut wird mit ihrer brennen. Deine Augen werden mit ihren Augen sehen, wenn du sie immer näher und näher heranführst…«
»Ich habe keine Wahl!«
»Doch!« Er ergriff ihren Arm, griff fest zu, obwohl er wusste, dass es ihr gewiss wehtat. Er musste die Octolaris haben. Er durfte sie sich jetzt nicht entgehen lassen. Nicht wenn er so nahe daran war. »Mach dir nichts vor, Mareka. Die Gilde wird dich benutzen, bis du ihnen ihre Spinnen zurückbringst, und dann werden sie dich für immer ausstoßen.«
»Das werden sie nicht tun! Sie sind meine Leute!«
»Du hast keine Leute. Nicht mehr. Du hast deine Gilde verraten.« Er schüttelte ihren Arm, ragte über ihr auf und ließ seine verzweifelte Not seine Worte durchdringen. »Du wirst allein sein. Du wirst keine Heimat haben. Du wirst keinen Namen haben. Alles, was du noch besitzen wirst, ist eine Erinnerung, den Gedanken daran, wie du die Spinnen getötet hast. Wie du den Befehlen gefolgt bist und deine Spinnen verbrannt hast.«
Tränen standen in ihren Augen, die ersten, die er jemals bei ihr gesehen hatte. Er festigte seinen Griff um ihren Arm.
»Sie können leben, Mareka. Überlass sie mir.«
Tränen glitten lautlos und silbrig ihre Wangen hinab.
Sie nickte zögerlich.
»Sag es.« Ihre Lippen zitterten, und er schüttelte sie, als wäre sie ein ungezogenes Kind. »Sag, dass du mir die Octolaris überlassen wirst.«
»Das werde ich, Mylord.« Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Ich werde Euch alle meine Octolaris überlassen. Um sie zu retten. Um sie vor dem Feuer zu bewahren.«
Er seufzte und ließ sie los. War er verrückt? War er ein brutaler, rasender Unhold?
Nein. Er war ein König, der um die Rettung seines Königreichs kämpfte. Ein Mann, der um Macht in der Gefolgschaft kämpfte, um die Führerschaft in dieser starken Geheimgesellschaft. Er war ein Mann, der gerade das stärkste Monopol gebrochen hatte, das die Welt je gesehen hatte. »Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Wir müssen sie aus deinem Zimmer holen, bevor Jerusha daran denkt, uns auszusperren.«
Er war nicht vollkommen gefühllos. Er nahm sich die Zeit, seinen Umhang zu holen. Er gab Mareka die Gelegenheit, sich die Tränen fortzuwischen, sich zusammenzureißen, ihren verborgenen Stolz wiederzufinden. Er sah nicht hin, als sie den Raum durchquerte und den Türriegel öffnete.
Aber als sie auf der Schwelle stand, vom Türrahmen umgeben, sah er sie an, und er erinnerte sich, wie sie das erste Mal zu ihm gekommen war. Er erinnerte sich der Macht des Octolarisnektars, des benommen machenden Sehnens, das er in ihm erweckt hatte.
Er schob jene Gedanken beiseite. Es war keine Zeit für Torheit. Er eilte durch die Gänge, bestrebt, seine Octolaris nach Hause zu bringen.
14
»Halt! Nennt Euren Namen!«
Rani erwachte ruckartig und rang nach Atem, noch während sie sich hochrappelte. Im ersten, vom Traum gefärbten Moment schaute sie auf die hohen Mauern der Spinnengilde-Enklave, auf das bedrohliche Tor, das bis zur Dämmerung geschlossen war. Die Gilde griff jedoch nicht an. Die Gilde hatte formell noch keine Notiz von der Gruppe genommen, die auf Einlass wartete.
Stattdessen stand Crestman vor ihr, und sein Rücken wurde vom Lagerfeuer beleuchtet. Er schaute in die Dunkelheit, hatte die amanthianische Klinge gezogen und rief erneut: »Nennt Euren Namen! Gebt Euch zu erkennen!«
Rani packte das lange Messer, das sie vor dem Einschlafen neben ihren Sattel gelegt hatte. Sie hob die Waffe an und strich sich das Haar aus den Augen. Mair tauchte vor ihr auf, fluchte heftig und betastete ihre eigene Klinge. Auch Tovin kam aus der Dunkelheit heran, sein Kurzschwert schimmerte im Schein der glühenden Kohlen.
»Rani! Rani Händlerin!«
Bevor sie die Stimme erkennen konnte, die ihren Namen rief, spannte sich Mair neben ihr an. »Farso!«, rief das Unberührbaren-Mädchen und eilte an Crestman vorbei.
Lord Farsobalinti trat in den Feuerschein. Er hielt die Hände deutlich sichtbar an den Seiten, mied auffällig das Heft seines eigenen, in der Scheide steckenden Schwertes und machte nicht einmal Anstalten, Mair zu umarmen. »Gut gemacht, Crestman. König Halaravilli wäre erfreut.«
»Wer ist das?«, fragte Tovin, während Rani ihr Messer wieder in die Scheide steckte.
»Lord Farsobalinti. König Halaravillis engster Freund.« Sie trat vor. »Was ist los, Mylord? Ist
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