Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
von vielen aufwindigen Hochebenen verbrachten Jahren. Obwohl sein Körper sehr muskulös war, wiesen seine beiden Arme auffällige Narben auf, die von lebenslanger Pflege der Octolaris zeugten. Um den Hals trug er eine kunstvolle Weberei – ein besticktes, geschlungenes Muster –, die vollkommen aus Spinnenseide gemacht war. Der Halsschmuck fiel in Kaskaden bis auf seine Brust und hob und senkte sich mit seinen tiefen Atemzügen. Der Gildemeister sah den Neuankömmlingen regungslos entgegen, beide Fäuste in die Hüften gestemmt. Die Haltung ließ seine narbigen Arme wie gemeißelten Stein hervorstehen.
Tovin trat vor und verbeugte sich mit seinem schlaksigen Körper. »Mylord Anigo. Vielen Dank, dass Ihr zugestimmt habt, uns so kurzfristig zu empfangen.«
»Tovin Gaukler.« Die Stimme des Spinnengildemeisters klang tonlos, konturlos. Er bewegte die Hände, und Rani konnte Ringe an jedem seiner Finger sehen – schwere, goldene Bänder, deren eingelassene Steine aufblitzten. Die prahlerische Zurschaustellung ließ für ihren Plan nichts Gutes erahnen. Sie widerstand dem Drang, Crestman anzusehen.
Tovin richtete sich auf und räusperte sich. Es geschah leise und wäre bei jemand anderem wenig bemerkenswert gewesen, aber es ließ ein Schaudern Ranis Rückgrat hinabrieseln. Tovin war nervös. Der Mann, der sie hypnotisiert hatte, der Gaukler, der es gewohnt war, vor einem großen Publikum zu stehen, Tovin hatte Angst. Diese Erkenntnis machte Rani selbst ziemlich unsicher, und sie hörte den Gaukler kaum sagen: »Ich bitte um Eure Nachsicht, Lord Anigo, weil ich Euch zwei Besucher Liantines vorstellen möchte. Ranita Glasmalerin ist vom fernen Morenia angereist, um etwas über Eure Gilde zu erfahren. Crestman ist ein Soldat, der sie begleitet.«
Rani hatte kaum Zeit, sich zu wappnen, bevor Anigo sie mit seinen Augen fixierte. Sie sah die schlaue Intelligenz hinter diesem Blick, die gemessenen Gedanken. Sie erkannte die Macht sofort – es war dieselbe Macht, die sie bei ihrer Gildemeisterin, Salina, gesehen hatte, bevor die Gilde zerstört worden war.
Rani trat einen einzigen Schritt vorwärts. Sie hatte keine Zeit, sich einschüchtern zu lassen, keine Zeit, langsam Vertrauen und Kameradschaft zu dem Gildemeister aufzubauen. Einen Tag. Mehr hatte sie nicht. Danach träfe König Teheboths Bote ein, und Anigo würde wissen, dass sich Hal die Octolaris verschärft hatte. Rani hatte einen Tag Zeit, um über die Riberrybäume zu verhandeln. Also könnte sie ebenso gut jetzt damit beginnen.
»Ich grüße Euch, Gildemeister.« Ihre Stimme zitterte, und sie schluckte schwer, aber sie trat einen weiteren Schritt vor, entfernte sich weiter von ihren Gefährten. Weder Tovin noch Crestman wären über das erfreut, was sie sagen würde.
»Ranita Glasmalerin.« Anigo nickte, während er sie ansah, taxierte sie, als wäre sie Pferdefleisch, um das er handeln wollte. »Eure Gilde wurde zerstört, nicht wahr? Euer Gildehaus wurde niedergerissen und alle Glasmaler verstümmelt oder getötet.«
»Das war ein Irrtum, Gildemeister!« Die Verletzung an ihrer Kehle schmerzte, als sie vor Zorn errötete. »Die Glasmalergilde wird wieder aufgebaut. Wir werden von König Halaravilli unterstützt!«
Tovin hielt bei ihrem trotzigen Tonfall den Atem an, aber sie gönnte dem Gaukler keinen Blick. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie zwei der Sklavenjungen zusammenzuckten, sich zwischen ihre Fackeln zurückzogen, als fürchteten sie Anigos physische Vergeltung. Die Reaktion der Sklaven bewirkte, dass Crestman sich anspannte, und Rani erkannte, dass sie nicht viel Zeit hätte, ihren Handel abzuschließen. Sie trat einen weiteren Schritt an Anigo heran.
»König Halaravilli hat mich als seine Gesandte geschickt. Er fordert, dass Ihr die Menschen seines Königreichs zurückgebt, die Kinder des Kleinen Heers, die Ihr als Sklaven erworben habt.«
Anigo warf den Kopf zurück und lachte, so dass der kunstvolle Halsschmuck auf seiner Brust schwankte. Er deutete auf die Kinder, die den Raum säumten. »Und was wird Euer König bezahlen?«
»Er wird mit Soldaten und Kriegsgeräten bezahlen, Gildemeister.« Tovin keuchte und ergriff ihren Arm. Sie wusste, dass der Gaukler wütend sein musste. Er hatte nicht erwartet, dass sein Schutzherr herausgefordert würde. Sie entzog sich ihm und sagte zu Anigo: »In diesem Moment, Mylord, bereitet König Halaravilli seine Hochzeit mit Prinzessin Berylina vor. Sobald er sie zu seiner Ehefrau genommen hat,
Weitere Kostenlose Bücher