Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Hals.
»Ein Baum«, sagte er. »Einen Baum für jeden Sklaven.«
»Zehn«, konterte Rani.
Anigo knirschte mit den Zähnen, das Geräusch war in dem ansonsten stillen Raum deutlich hörbar. Rani hielt den Atem an, erstarrte, wartete. »Zehn.«
»Nein!«, heulte Crestman auf und stürzte in Richtung des Gildemeisters. Ein halbes Dutzend Soldaten umringten ihn, noch während Anigo vier Schritte zurückwich. Crestman fluchte und kämpfte, als hinge sein Leben davon ab, dass er sich von den Spinnengildewächtern losrisse. Er warf den Kopf hin und her wie ein Wilder, wollte seine Gefangenenwärter beißen, sie treten, mit wütenden Fäusten auf sie einschlagen, aber er wurde durch ihre Waffen und ihre überlegene Kraft rasch überwunden.
Rani sah hin, entsetzt über das, was sie herausgefordert hatte. Sie dachte einen kurzen Moment, Crestman würde vielleicht nur schauspielern, dass er ihren wahren Plan erkannt hätte, den verborgenen Plan, aber als sie den heftigen Hass aus seinen Augen blitzen sah, erkannte sie, dass er verloren war. »Crestman«, sagte sie, wobei ihre Stimme über das raue Keuchen und den erschöpften Atem seiner Gefangenenwärter hinweg kaum hörbar war.
»Sprich nicht zu mir, Verräterin!«
Sie konnte nichts erwidern. Sie konnte ihm ihre Absichten nicht mitteilen. Sie konnte nicht sagen, dass sie um die Riberrybäume verhandeln und Hals Seidenhandel errichten würde, und dann, im nächsten Jahr, mit Gold aus dem gewinnbringenden Verkauf der Seide zurückkommen würde, mit Gold, dem die Spinnengilde nicht widerstehen könnte. Sie würde letztendlich all die Sklaven auslösen, aber im Moment konnte sie ihre Pläne nicht offenbaren.
Crestman wand sich, bis er Anigo finster anstarren konnte. »Dann nehmt mich. Macht mich zu einem Eurer Sklaven.«
Der Gildemeister lachte, und der grimmige Klang hallte von der Decke des hohen Raumes wider. »Und warum sollte ich das tun?«
»Ich kann arbeiten. Ich kann Eure Felder pflügen und Euer Wasser schleppen. Ich werde Eure verfluchten Spinnen füttern. Ich werde tun, was immer Ihr befehlt.«
»Ich könnte Euch niemals vertrauen.«
»Ihr werdet mich unter Bewachung halten. Ihr werdet mich unbewaffnet lassen. Die übrigen Sklaven werden mich sehen und so schlau sein, nicht zu rebellieren.«
Rani wollte protestieren. Sie wollte Crestman sagen, dass er dies nicht tun musste. Er musste sich nicht für die Riberrybäume verkaufen. Er konnte jetzt standhalten und die Halle mit ihr verlassen, mit Tovin. Alles würde in Ordnung kommen, innerhalb eines Jahres.
Anigo nickte zögernd, und seine derben Finger strichen über seinen Halsschmuck. »Ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich werde Euch nicht freilassen, wenn Ihr Eure Torheit erkennt.«
»Meine Torheit bestand darin zu glauben, ein Morenianer würde jemals meine Interessen wahren. Es ist besser, wenn ich ehrenhaft mit meinen Soldaten diene, als wenn ich die Stiefel von Eroberern lecke.«
Anigo sah ihn einen langen Moment an, aber dann gab er seinen Soldaten ein Zeichen. »Bringt ihn in die Sklavenquartiere. Gebt ihm eine Sklaventunika, und schickt ihn auf die Felder, mit Ketten um die Knöchel. Er wird auf Brot- und Wasserrationen gesetzt, bis ich etwas anderes sage, und zwei Männer werden ihn bewachen. Tötet ihn, wenn er einen falschen Schritt tut.«
Die Wächter zerrten Crestman hoch, drängten ihn mit ihren Schwertern. »Crestman!«, rief Rani.
Er spie sie an.
Sie befand sich einen kurzen Augenblick außerhalb des Spinnengildehauses, völlig außerhalb Liantines und wieder im gestürzten Schwanenschloss. Sie stand neben Crestman auf dem Hang, lauschte seiner Erzählung von bitterer Enttäuschung, der Grausamkeit, die ihn an das Kleine Heer gebunden hatte. Sie erinnerte sich an den Hass in seinen Augen, an die verbitterte Rachsucht in seinem angespannten Gesicht.
Und jetzt sah sie dasselbe reine Verlangen, denselben verzweifelten Zorn. Crestman war für sie für immer verloren.
Er wandte sich wortlos ab, und die Wächter führten ihn aus der Halle.
Anigo wartete eine lange Minute, und dann hob er eine diamantengeschmückte Hand. »Also abgemacht. Zehn Bäume für jeden meiner Sklaven. Aber nicht für diesen. Er gehörte nicht mir, als Ihr den Handel führtet.«
Rani nickte und fühlte sich elend, weil jemand – selbst Anigo – glauben könnte, sie hätte von Crestmans Wahl profitieren wollen.
Anigo hob gebieterisch eine Hand, rief einen Diener aus den Schatten herbei. »Also gut. Wir
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