Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
werden die Papiere bis Sonnenuntergang fertigstellen, und Ihr könnt sie dann unterzeichnen. Ranita Glasmalerin, Ihr könnt Euch im Tageslicht auf unserem Gelände bewegen, aber ohne ein Mitglied der Spinnengilde dürft Ihr keines der Gebäude betreten.«
Rani neigte den Kopf, nahm die Beschränkungen an. Bevor Anigo gehen konnte, trat Tovin vor und schien sich vor seinem Herrn hinknien zu wollen. »Gaukler«, sagte Anigo. »Auch Ihr dürft unsere Gebäude nicht betreten.«
»Mylord, ich muss Verhandlungen zu Ende führen, um den Kobaltstoff der Gaukler.«
»Ihr werdet nicht mit uns verhandeln. Ihr habt Eure Seite in dieser Scharade gewählt. Die Spinnengilde hat kein weiteres Interesse an den Gauklern.«
»Mylord!«
»Ruhe!« Anigos Brüllen ließ den Boden erzittern. »Ihr brachtet Fremde in unsere Mitte. Ihr erlaubtet ihnen, uns zu manipulieren. Ihr habt den Weg dafür geebnet, dass Riberrybäume für die Außenwelt freigegeben werden. Die Spinnengilde will nichts mehr mit Euch zu tun haben – mit Euch nicht und mit Eurer Truppe nicht. Ihr werdet morgen in der Dämmerung gehen, und man wird Euch jeglichen weiteren Zutritt zu unserer Enklave verweigern.«
»Mylord…«
»Noch ein Wort, und ich werde Euch einsperren lassen, zusammen mit den beiden, die am Tor unsere Gesetze gebrochen haben.«
Tovin schluckte schwer, und er erwog eindeutig, die Anweisung des Gildemeisters zu ignorieren. Rani konnte erkennen, dass Anigo sich nicht erweichen lassen würde, und sie streckte eine Hand aus, um den Gaukler zum Schweigen zu bringen. Er schüttelte ihre Finger verärgert ab.
»Dann bis Sonnenuntergang«, sagte Anigo und neigte in Ranis Richtung den Kopf.
Die verbliebenen Wächter führten sie mit gezogenen Waffen aus dem Raum und durch die Gänge des Gildehauses. Niemand berührte Rani wirklich mit der Spitze oder der flachen Seite einer Klinge, aber die Wachen machten deutlich, dass sie das Gebäude schnellstens verlassen sollten. Die wirren Gänge schienen jetzt düsterer und gewundener.
Rani war erleichtert, sich letztendlich in dem großen Empfangsraum wiederzufinden, unter dem Schimmern des Buntglases des Octolarisfensters. Als sie aus dem Gebäude heraus wieder in die Morgensonne trat, betrachtete sie den von schwarzen Adern durchzogenen Marmorhof. Der Anführer der Wächter wiederholte Anigos Warnung, die Gebäude zu meiden. Dann führte er seine Leute davon und ließ Rani und Tovin auf den blendend weißen Stufen zurück.
Rani wartete, bis die Soldaten gegangen waren, und ihre Stimme zitterte, als sie schließlich fragte: »Ist das dann alles? Sie werden uns nicht den ganzen Tag bewachen lassen?«
»Was könntest du tun, um der Spinnengilde Schaden zuzufügen?« Tovins Worte klangen bitter. »Alle Seide ist eingeschlossen. Die Spinnen würden den Tod bedeuten, wenn du sie anfassen würdest. Du bist eingeschlossen, bis sich die Tore morgen in der Dämmerung öffnen.«
Morgen in der Dämmerung. Wenn der Bote von König Teheboth einträfe.
Rani schluckte schwer. »Ich habe für Morenia verhandelt. Ich habe die Riberrybäume bekommen.«
»Zu welchem Preis?«, schrie Tovin beinahe, so dass seine Gauklerstimme über den Hof dröhnte. Er umfasste hart ihren Arm und zog sie zu sich heran, wobei er so fest zudrückte, dass sie Quetschungen davontragen würde. »Zu welchem Preis, Ranita Glasmalerin? Nur um zu beweisen, dass du Anigo Octolaris überlisten konntest? Ohne Octolaris sind deine Bäume wertlos, und dafür hast du die Gaukler vernichtet!«
»Die Gaukler sind gewiss nicht vernichtet! Das Publikum wird Euch zusehen, auch wenn Ihr Eure Stücke mit zerrissenen Vorhängen spielt.«
»Es geht nicht um Vorhänge! Verstehst du nicht? Die Gilde hat uns ihre Unterstützung entzogen! Ohne Schutzherrn werden wir auf den Straßen Liantines nicht mehr geduldet. Die gesamte Truppe wird illegal sein, verbannt. Jede Truppe braucht einen Schutzherrn, und du hast unseren vertrieben!«
Rani hatte es nicht gewusst. Sie hatte nicht erkannt, was der Preis für ihren Handel gewesen war. Dennoch hätte sie nicht anders handeln können. Sie brauchte die Bäume. Hal brauchte sie, Morenia. Mit den Bäumen konnten sie den Wiederaufbau finanzieren, sich von dem Feuer und der Krankheit erholen, das Joch der Gefolgschaft abschütteln…
Auch wenn sie die Gaukler vernichten musste. Auch wenn sie Crestman verloren hatte.
Tovin sah sie finster an. »Und du erkennst nicht einmal, dass all dein Handeln umsonst war. Du wirst diese
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