Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Bäume niemals am Leben erhalten.«
»Das werden wir. Wir müssen es.«
»Weißt du überhaupt etwas über Riberrys, Ranita Glasmalerin? Du hättest einen Gaukler fragen sollen. Jeder von uns hätte dir sagen können, dass dein Plan töricht war. Wir handeln immerhin mit Geschichten. Wir handeln mit Wissen.
Unser Hypnotisieren ist nicht nur ein Zeitvertreib für einsame adlige Mädchen.«
»Ich bin ein Gildemitglied«, sagte sie durch zusammengebissene Zähne.
»Ja, ein Gildemitglied. Was weißt du also über Riberrybäume? Als Erstes musst du sie vor Wind schützen.«
»Das werde ich tun. Ich… ich werde Glasschirme gestalten.«
»Du musst jeden Baum von Hand bestäuben.«
»Das werden die Kinder tun – die Unberührbaren und andere in Moren, die durch das Feuer obdachlos wurden.«
»Du musst jeden Baum zwölf Mal täglich wässern, jedes Mal mit zwei vollen Eimern.«
»Wir können…« Rani hielt inne. »Zwölf Mal?«
»Zwölf.«
»Die Bäume werden ertrinken!«
»Sie ernähren sich von einem Moos, das um ihre Wurzeln wächst.«
»Wir… wir können Leute requirieren, die das tun.«
»Und woher werden sie das Wasser bekommen?«
Zum ersten Mal, seit sie das Gildehaus verlassen hatten, erkannte Rani, dass ihr Plan scheitern könnte. Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete: »Aus Morens Brunnen natürlich.«
»Morens Brunnen? Wie tief sind sie? Wie viel Wasser fördern sie, Ranita Glasmalerin?« Sie hörte ihren Namen wie ein spöttisches Schimpfwort. Was konnte ein Glasmaler von solchen Dingen schon wissen, vom Pflanzen und Ernten und von der Landwirtschaft? Wie konnte er von ihr eine Antwort erwarten?
»Wie macht die Spinnengilde es denn?«, fauchte sie trotzig. »Wir befinden uns hier auf einer Ebene, weit von jedem Fluss entfernt.« Sie deutete mit der Hand vage über den Marmorhof, der in der Morgenhitze zu glänzen begonnen hatte.
»Die Spinnengilde hat einen Brunnen. Einen tieferen Brunnen, als ihr ihn in Moren jemals graben werdet.«
»Seid nicht so sicher. Wenn König Halaravilli sich etwas in den Kopf setzt, schafft er es auch.« Er schafft es, sagte Rani sich. Hal schafft es, und Davin und das ganze Volk Morens, das keine andere Wahl haben wird, wenn es will, dass unser Land überlebt.
Tovin schritt statt einer Antwort einfach davon. Als Rani zögerte, ihm zu folgen, wandte er sich wieder um und hatte seine Lippen zu einem grausamen Lächeln verzogen. »Du hast doch bestimmt keine Angst, Ranita Glasmalerin? Keine Angst, mir zur Wahrheit zu folgen?«
Rani trottete voran, um ihn einzuholen. Sie wollte eine Antwort verlangen. Sie wollte ihm – einem Gaukler, einem Mann, der nicht einmal in Morens Kasten erfasst war – befehlen, stehen zu bleiben, ihr zuzuhören. Aber sie dachte an die Macht, die er über sie hatte, die Macht des Hypnotisierens, die Macht seines Glasmalerkönnens, und sie hielt den Mund.
Und die ganze Zeit, während sie ihm folgte, um die Ecke des Gildehauses, die Seite des langen Ziegelsteingebäudes entlang, durch die reich verzierten, sorgfältig bepflanzten Gärten, hörte sie den Zweifel in ihrem Geist wachsen. Hal hatte die Spinnen von Mareka angenommen. Mareka hatte Hal die Spinnen angeboten. Was war zwischen ihnen vorgefallen? Wie war ihr Bündnis zu Stande gekommen? Was würde der Bund für Hals bevorstehende Heirat mit Berylina bedeuten?
Tovin eilte an einem Küchengarten vorbei und drängte sich durch federartige Kräuter. Jenseits der Pflanzungen befand sich eine Fläche blendend weißen Steins. Die Stiefel des Gauklers knirschten auf der Oberfläche, als er auf einen kleinen Stapel Ziegelsteine zueilte.
Zwei Esel standen neben dem Gebilde und zupften träge am Gras, das karg in den Schatten wuchs. Die Zugtiere schleppten ihr Geschirr hinter sich her, und Rani sah, dass zwei wuchtige Joche an der Ziegelmauer lehnten. Eine Spinne war in jeden Rahmen geschnitzt; die acht Beine krochen über das Holz wie Krebsgeschwüre.
»Was ist das?« Rani keuchte, als sie Tovin einholte.
Er schob als Antwort eine Tür auf und offenbarte einen Durchgang, der kaum breit genug war, dass ein beladener Esel hindurchpasste. Als Rani zögerte, kreuzte der Gaukler die Arme über der Brust. »Komm und sieh dir an, wogegen du antrittst. Komm und sieh dir an, wie die Spinnengilde gedeiht.« Seine spöttischen Worte klangen wie eine Verurteilung, und Rani wollte erklären, wollte ihm begreiflich machen, dass sie keine andere Wahl hatte, als für Moren zu arbeiten, keine andere
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