Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
habt, dürfen wir den Rat nicht warten lassen.« Hal passte seine Schritte denen des älteren Mannes an.
»Ich hoffe doch, dass Ihr noch einige weitere Lektionen von mir gelernt habt.«
»In der Tat, Puladarati. Natürlich habe ich das. Ihr habt von dem Handel gehört, den ich mit der Kirche abgeschlossen habe?«
»Das ganze Königreich hat davon gehört, Sire.« Der Tonfall des älteren Mannes klang trocken.
»Dann heißt Ihr ihn nicht gut.«
Puladarati blieb jäh stehen und zwang seinen Schriftführer damit, einige Schritte zurückzuweichen. »Die Frage ist nicht, ob ich es gutheiße, Sire. Die Frage ist, ob Ihr den besten Handel für Morenia getätigt habt. Es gibt keine leichten Antworten, nicht bei all den zerstörten Gilden in Morenia, all den ausgebrannten Händlern, all den eingeebneten Soldatenbaracken. Überhaupt keine leichten Antworten.«
»Nein. Die gibt es nicht.« Hal schluckte schwer. Im dunkelsten Winkel seines Herzens wusste er, dass er nicht die bestmögliche Vereinbarung mit dem Heiligen Vater getroffen hatte. Der alte Prälat war Dartulaminos eisenharter Führung gefolgt, der die Einsätze so hoch gesteckt hatte, dass Hal kaum zustimmen konnte, wie verzweifelt er auch war. Hal fragte sich, ob Dartulaminos hartes Handeln durch seine verborgene Verbindung zur Gefolgschaft bewirkt wurde. Wie viel wusste der Priester über Hals Bestrebungen? Wie viel wusste er über Hals Traum, die geheime Gemeinschaft zu leiten? Und inwieweit war der Priester bereit, die morenianische Politik zu beeinflussen, während er mit Hal um die Macht in der Geheimorganisation rang?
Denn Hal beabsichtigte in der Tat, die Gefolgschaft des Jair zu leiten. Es war nur natürlich, nur das Recht eines Adligen, ans Ruder der schattenhaften Gruppierung zu treten. Gewiss war die gegenwärtige Führerin, die Unberührbaren-Frau Glair, in ihrem Gewerbe vorzüglich. Sie hatte die Gefolgschaft durch Manipulation in eine bessere Position gebracht, als Hal sich hätte vorstellen können, als er in die Geheimränge aufgenommen worden war. Aber Hal konnte mehr tun. Er konnte die Macht seines Thrones nutzen, um die Gefolgschaft noch weiter voranzubringen.
Er hatte sie beobachtet, diese ganzen Jahre. Er hatte Nachforschungen angestellt. Glair konnte die Gefolgschaft nicht ewig kontrollieren, und wenn sie ihren Nachfolger wählte, war Hal entschlossen, zur Stelle zu sein.
Nur so konnte er sein schönes Morenia beschützen. Nur so konnte er sich selbst schützen.
Und daher hatte er der Gefolgschaft während der vergangenen drei Jahre geheime Zahlungen angeboten – zehn Goldbarren hier, zwanzig da. Er hatte seine Boten tief nach Brianta hineingeschickt, um Glair ein geheimes Sendschreiben zu überbringen. Er war immerhin der König. Er hatte geglaubt, er hätte Reichtum und Macht zur Verfügung. Er hatte daran gedacht, seinen Reichtum dazu zu benutzen, seinen Anspruch zu festigen – auch wenn er nicht wusste, wie genau Glair seine Geschenke nutzte.
Er würde es nur allzu bald erfahren, wenn er zur wahren Macht im innersten Kern der Gefolgschaft aufstieg.
In der gegenwärtigen Krise hatte Hal jedoch letztendlich fünftausend Goldbarren aus der Schatzkammer des Heiligen Vaters erhalten. Er musste in drei Monaten – am Mittsommertag – fünfhundert Barren zurückzahlen, als Symbol seiner ehrlichen Absichten. Volle fünftausend Barren wären dann in einem Jahr fällig – das Darlehen plus die Kosten für das Borgen von der Kirche. Und wenn er die Schuld nicht zurückzahlen könnte, würde die Kirche zusätzliche Forderungen erheben – 550 zusätzliche Barren bis zur nächsten Wintersonnenwende, 615 bis zum darauffolgenden Frühjahr. Alles zusätzlich zu den ursprünglichen fünftausend.
Schlicht und ergreifend Wucher.
Aber Hal hatte keine andere Möglichkeit. Er musste sein Volk, sein Königreich retten. Er hatte sich während der ganzen Zeit der Verhandlungen geweigert, Dartulaminos selbstgefälliges Lächeln zu beachten. Beide Männer wussten, dass Hal das Gold brauchte, es sofort brauchte. Wenn er den harten Verhandlungen mit der Kirche den Rücken wandte, müsste er sich woanders hinwenden. Er müsste der Gefolgschaft des Jair seine Not eingestehen.
Nun, Hal untersagte es sich, weiterhin darüber nachzudenken, wie er bessere Bedingungen hätte aushandeln können, wenn Rani nicht gewesen wäre. Wenn sie nicht in dem Moment aus seinen Räumen entflohen wäre, als er sie am meisten brauchte… Die ganze Zeit, in der Hal mit
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