Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
gemusterten Raupen herumging, die auf dem Weg verstreut lagen. Sie mieden es reflexartig, auf die Nahrung ihrer geliebten Spinnen zu treten.
Meister Amrida drang zum Rand der Menge vor, seine breite Brust wurde durch seine schwere Halsbinde betont. Aufgestickte Knoten standen wie Blutstropfen hervor, während er über dem Sklavenmädchen aufragte. »Was ist hier passiert?«, fragte er Jerusha.
Jerusha antwortete nicht. Sie schaute auf die sich windende Sklavin hinab und schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hielt noch immer den Riberryzweig umfasst, nun ein nutzloser Stock, der wie ein Kinderspielzeug wirkte. Amrida stieß im Namen der Gehörnten Hirschkuh einen schrecklichen Fluch aus und schob Jerusha beiseite.
Die Sklavin hatte die Augen verdreht. Während Mareka sie beobachtete, schwollen ihre Lippen an, dunkel und purpurfarben, als wären sie mit saurem Wein gefüllt. Ihr Körper begann sich zu verkrampfen, ihr Kopf schlug auf den Kies des Weges, und Meister Amrida riss sich seinen Umhang aus Spinnenseide vom Leib, rollte das edle Kleidungsstück zusammen und legte es unter den Kopf des Kindes.
Mareka konnte das Mädchen nach Atem ringen und ihre Zähne klappern hören, als sich ihr Kiefer wiederholt ver- und wieder entkrampfte. Sie stöhnte, schrie, zwang einen unheimlichen, hohen, schrillen Laut durch ihre Zähne. Der Tonfall des einzigen Wortes veränderte sich, wurde angespannter, und Mareka erkannte, dass die Kehle des Mädchens zuschwoll.
Die Bisse an ihrem Arm schwärten bereits, große Eiterblasen bildeten sich um jede einstichartige Wunde. Mareka sah, wie das Kind mit seiner gesunden Hand über ihren Körper griff, um an den blutigen Abdrücken der Fänge zu reißen. Aber die Krämpfe waren zu stark, und sie konnte ihre Haut nicht erreichen, konnte das sich ausbreitende Gift nicht herausreißen.
Meister Amrida rief nach einem Messer, befahl jemandem, ihm eine Klinge zu besorgen. Mareka wusste, dass sie sich bewegen sollte, in die Küche laufen sollte, alles ihr Mögliche tun sollte, um das Kind zu retten. Aber sie konnte den Blick nicht abwenden, konnte das Sklavenmädchen Serena nicht allein lassen.
Drei Mal, wollte sie aufschreien. Sie hat sich nur drei Mal verneigt, nicht vier Mal! Das hatte genügt, um den Giftangriff der Octolaris heraufzubeschwören. Das hatte genügt, um diesen blutigen, gewaltsamen Tod zu bewirken.
Bevor Mareka sprechen konnte, sammelte das Kind seinen Atem und keuchte auf erschreckende Art. Mareka streckte die Hände aus, die zitterten, als bewegten sie sich nach ihrem eigenen, geheimnisvollen Ritual, um die giftige Macht der Octolaris abzuwehren. Als reagiere Serena auf Marekas lautlosen Befehl, bog das Kind den Rücken durch, und alle Muskeln ihres Körpers spannten sich bei einem letzten Krampf an. Das Krachen brechender Knochen war für jeden benommenen Zuschauer hörbar, und Mareka beobachtete entsetzt, wie Serena auf den Kies zurücksank.
Ihre Arme lagen still, ihr Zucken war vorüber. Ihre Beine waren auf dem steinigen Weg ausgebreitet. Ihr Rücken war in einer unnatürlichen, unmöglichen Position verdreht, und an ihrem Kinn waren Streifen rötlichen Schaums zu sehen. Aber Mareka merkte, dass sie Serenas Mund nicht aus den Augen lassen konnte. Sie konnte den Blick nicht von den geschwollenen, Zahnspuren aufweisenden Lippen abwenden, die Lippen so rot wie Beeren, die Lippen, die unter den Silberschwingen einer Schwanentätowierung erblühten.
3
»Euer Majestät, es ist schön, Euch so wohl zu sehen, und das nach allem, was Ihr in den letzten Wochen erduldet habt.«
Hal tat das Kompliment mit einer Handbewegung ab und beendete die Geste, indem er Herzog Puladarati bedeutete, sich von den kalten Fliesen im Palastgang zu erheben. Der frühere Prinzregent hatte vielleicht die letzten drei Jahre als Hals vertrauenswürdigster Kommandant im nördlichen Königreich Amanthia verbracht, aber wann immer der löwenmähnige Gefolgsmann an den Hof zurückkehrte, bestand er auf vollkommener Ehrerbietung. Solch symbolische Ergebenheit machte Hal verlegen, auch wenn er dankbar und erfreut darüber war, dass er keinen Grund hatte, den Mann zu fürchten, der einst alle Zügel der Macht in Morenia in Händen gehalten hatte. Es war besonders beruhigend, dass Puladarati vor seinen eigenen Dienern niedersank, vor dem mit Umhang und Kapuze bekleideten Schriftführer, der ihm wie ein Schatten folgte.
»Kommt mit mir, Mylord«, sagte Hal. »Wie Ihr es mich vor langer Zeit gelehrt
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