Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
habe an die Spinnengilde geschrieben, Mylord. Ich wollte wissen, welche Vorsichtsmaßnahmen sie träfen, um Kinder zu schützen. Ich wollte wissen, wie sie es rechtfertigen könnten, kleine Mädchen sterben zu lassen.«
»Und?«
»Und sie nahmen sich Zeit mit der Antwort. Ich wartete zwei Wochen. Die Antwort war kurz und bündig. Sie hätten das Mädchen gekauft, und sie könnten mit ihm tun, was sie wollten. Sie hätten König Sin Hazar gutes Geld bezahlt, und es ginge mich nichts an – es ginge Euch nichts an –, was sie mit ihren Erwerbungen anfingen.«
Rund um den Ratstisch wurde geflüstert, und Hal rang darum, seinen jäh aufflammenden Zorn zu beherrschen. Er kannte diese Spinnengilde kaum und war ihrem Meister nie begegnet. Er war niemals in Liantine gewesen, hatte niemals auch nur im Traum daran gedacht, dessen reichen Mächtigen gegenüberzutreten. Warum dann dieser respektlose Tonfall? Warum diese offenkundige Aufwiegelung zum Kampf?
Es war keine Respektlosigkeit. Während Hals Seele noch um den Tod eines Kindes zitterte, das er zu beschützen geschworen hatte, erkannte er, dass die Spinnengilde nicht respektlos war. Sie benutzte nur ihre Geldanlage. In Liantine war Sklaverei Gesetz – der König jenes Landes erlaubte den Handel mit Menschen, und es war vollkommen rechtmäßig, ein Kind, auch ein schutzloses Mädchen, als Sklavin zu halten.
Es geschahen häufig Unfälle, besonders in der gefährlichen Welt der Spinnengilde. Niemand könnte argumentieren, ein Sklavenhalter wollte seine Geldanlage vernichten. Die Gilde hatte ihren Verlust wahrscheinlich beklagt – vielleicht nur aus finanziellen Gründen, aber dennoch beklagt.
Hal sprach ruhig: »Ich kann im Moment keinen militärischen Feldzug gegen die Spinnengilde führen.«
Crestman reagierte sofort. »Darum bitte ich Euch auch nicht, Mylord.«
»Worum dann? Was soll ich tun?«
»Nach Liantine reisen, Mylord. Das Kleine Heer zurückholen, die Jungen und Mädchen, die Amanthia gedient haben, zurückkaufen, wenn es sein muss. Eure Leute retten, wie Ihr es einst verspracht.« Crestman warf das bescheidene Gewand eines Sekretärs zurück und riss sein Schwert aus der Scheide – ein gebogenes, nördliches Schwert. Bevor jemand seine Absicht in Frage stellen konnte, kniete er sich in vollkommener Ehrerbietung hin und lehnte den Kopf an das wunderschön gestaltete Schwertheft.
Farso und Edpulaminbi sprangen hinter ihm heran. Die Drohung ignorierend, hob der Soldat den Kopf und sah seinen König unmittelbar an. »Ich verpflichte mein Schwert zur Auslösung des Kleinen Heers in Euren Dienst. Ich verpflichte mein Schwert und alles, was ich tun kann, um die Kinder Amanthias zu retten. Geht nach Liantine, Euer Majestät. Seht Eure Untertanen, wie sie sich in unlauterem Dienst abrackern. Seht sie, und löst das Kleine Heer aus. Sprecht mit dem König von Liantine, und beendet dieses ungerechte Schauspiel.«
Hal sah die Szene, die der Soldat gestaltet hatte, die Lehenstreue, die erneut betont wurde, während gleichzeitig ein verwandeltes Feudalversprechen gefordert wurde. Nun, Hal hatte sich bereits verpflichtet, das Kleine Heer nach Hause zu holen. Er hatte geschworen, die Kinder aus Liantine herauszubringen, so viele, wie er finden konnte, so viele, wie befreit werden konnten. Seine Zeit war mit anderen Verpflichtungen ausgefüllt gewesen, mit anderen Forderungen, die an seine Zeit und Energie und an seine Schatzkammer gestellt worden waren. Und nun, da Moren verbrannt und zerstört war und er zunehmenden Druck verspürte, sich um die Macht innerhalb der Gefolgschaft zu bemühen, und die Welt auf dem Kopf stand…
Er schaute den Ratstisch hinab, sah die Gesichter seiner neun geschätztesten Berater. Edpulaminbi und Farso. Puladarati. Männer, die von seinem Vater ernannt worden waren, um Morenia zu dienen, Männer, die Hal auch selbst erwählt hätte. Alle sahen ihn an. Alle erwarteten, dass er handelte.
Und was sollte er tun? Er konnte das Kleine Heer nicht zurückkaufen – seine Schatzkammer hätte dem wahrscheinlich nicht einmal vor dem Feuer standgehalten. Und jetzt, wo der Heilige Vater ihn als Geisel hielt? Hal sagte, um etwas Zeit zu gewinnen: »Ich nehme Euer Gelöbnis an, Crestman. Ich nehme es an, dass Ihr meine Krone mit dem blankgezogenen Schwert ehren wollt.«
Er wartete einen Moment, damit die Bedeutung seiner Worte aufgenommen werden konnte. Der Soldat des Nordens neigte den Kopf und steckte sein Schwert in die Scheide zurück. Er
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