Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Wind, der durch den Hof pfiff. Sie wusste, dass Crestman das Kleine Heer ausgebildet hatte. Er hatte ihr einmal ein wenig über das erzählt, was er in Sin Hazars schrecklichen Lagern erlitten hatte. Nichtsdestotrotz war seine unmenschliche Resignation erschreckend. Sie bewirkte, dass sie ihre eigene Entschlossenheit in Frage stellte, dass sie ihren eigenen Mut anzweifelte, während sie auf die Nachwirkungen des grausamen Feuers, das in Moren gewütet hatte, hinabblickte.
Sie suchte verzweifelt nach einem erfreulicheren Thema, nach einer Spur von Hoffnung und Erfolg. »Davin hat uns enorm geholfen. Seine Geräte haben das Feuer schließlich aufgehalten – seine Berechnungen und seine Befehle.«
»Er ist ein kluger, alter Mann.«
Stille. Rani durchforstete ihren Geist nach etwas anderem, was sie sagen könnte – nach etwas Geistreichem und Unterhaltsamem. Sie würde sich mit einer prägnanten Beobachtung, einer schlauen Bemerkung über Moren begnügen. Über Amanthia. Über das Kleine Heer. Über die verfluchten Arbeiter, die ihrer Aufgabe nachkamen und den Grundriss für Mairs Hospital abschritten.
Rani entging der Gefahr, eine steife Unterhaltung führen zu müssen, als Mair an ihrer Seite auftauchte. Das Unberührbaren-Mädchen hielt einen fellgesäumten Umhang in den Armen. »Rai«, sagte sie und warf einen raschen Blick auf den Besucher aus dem Norden. »Crestman.«
»Mair.« Rani hörte die alte Rivalität, die alten Bande, die sie beide um einen Soldaten im Kleinen Heer geschlungen hatten. Mair und Crestman hatten Monny beide geliebt, aber der Junge war trotz ihrer besten Absichten umgekommen.
Das Unberührbaren-Mädchen erschauderte und zog ihren Umhang enger um ihre Schultern. »Du sahst aus, als ob du hier oben frieren würdest. Ich habe dir deinen Umhang geholt.«
»Der Wind ist frostig, aber tatsächlich friere ich nicht.«
»Ich dachte, dass du deinen Umhang anziehen solltest«, sagte Mair betont. Rani nahm das Kleidungsstück und schlang es sich um die Schultern. »Du solltest auch den Balkon verlassen, Rai. Wir sollten die Männer ihre Arbeit tun lassen, ohne dass wir sie antreiben.«
»Ich treibe wohl kaum…«
»Bei Jair, kannst du schwierig sein!«
Bei Jair.
Rani sah Mair an und erkannte, dass sich die Wangen ihrer Freundin gerötet hatten. Kaum unterdrückte Aufregung war in ihren Augen zu sehen, als sie einen bedeutungsvollen Blick in Crestmans Richtung warf. Rani begriff schlagartig. Die Gefolgschaft des Jair hatte sie beide gerufen. Ein Bote musste eingetroffen sein, während Rani abgelenkt war, während sie versucht hatte, mit Crestman zu sprechen.
Sie konnte sich nicht vorstellen, was die Gefolgschaft wollte. Seit dem Feuer hatte die schattenhafte Gesellschaft geruht, kein Treffen einberufen, keine Anweisungen ausgegeben. Rani hatte zu fürchten begonnen, dass einige der Anführer im Feuer umgekommen wären. Immerhin bezog die Gefolgschaft ihre Mitglieder aus allen Kasten der Stadt. Die Anführerin der Zelle Morens war eine alte Unberührbaren-Frau – wer wusste, ob Glair nicht der Feuerlunge erlegen war, auch wenn sie den Flammen entkommen war?
Aber jemand hatte schließlich beschlossen, dass es für die Gefolgschaft an der Zeit sei zu handeln. Und was auch immer diese Entscheidung bewirkt hatte – es musste wichtig sein. Es war immer riskant für die Gruppe, sich zu versammeln, aber es war äußerst gefährlich, sich mitten am Tag zu treffen, wenn die Sonne schien und alle Menschen der Stadt unterwegs waren…
Rani schluckte ein Dutzend Fragen hinunter und zog den fellgesäumten Umhang fest um ihre Schultern. Sie wandte sich wieder Crestman zu. »Es tut mir leid, Mylord. Mair hat Recht. Ich darf die Arbeiter nicht ablenken, indem ich sie beobachte. Außerdem habe ich versprochen, Kräuter aus der neuen Lieferung auszusuchen, die heute Morgen eingetroffen ist.«
»Stets ruft die Pflicht.« Seine Worte klangen verbittert.
»Es tut mir leid«, sagte sie erneut.
Er streckte eine Hand aus und umschloss ihre Wange mit deren Wärme. »Sage mir, dass du heute Abend mit mir sprechen wirst, Rani Händlerin. Sage mir, dass wir am Feuer sitzen und über unsere Pläne sprechen können.«
Wir haben keine Pläne, wollte sie sagen. Du gehst mit Hal nach Liantine. Reist in ein fernes Land, das die Überreste des Kleinen Heers beherbergt. Und eine Prinzessin. Ich gehe nirgendwohin.
Stattdessen nickte sie einmal und spürte dabei seine Finger der Bewegung folgen. »Wir werden
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