Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Sprechen. Hal schaute nach rechts, sah an dem erfreuten Puladarati vorbei zu Crestman. Er sah das angespannte Lächeln des Jungen und die glatte Narbe, die auf seiner Wange glänzte.
Hal schaute zu Crestman, aber er dachte an Rani und fragte sich, wie viel genau er verloren hatte, indem er der Reise nach Liantine zustimmte.
4
Rani blinzelte in den Wind, der beständig über den Hof blies. Sie wünschte, sie hätte sich die Zeit genommen, sich einen Umhang zu suchen, bevor sie auf den Balkon hinausgetreten war. Der frühe Frühlingssonnenschein war nach der Trostlosigkeit des Winters eine Erleichterung, aber die Luft blieb frostig.
Weit unter ihr tyrannisierte Mair die Arbeiter, rief einer Gruppe Zimmerleute, die spät heute Morgen eingetroffen waren, Befehle zu. Die Männer erwiderten etwas, stritten anscheinend darüber, ob sie genug Holz zum Bau der Wände hatten, die Mair gefordert hatte.
Rani taten die Arbeiter leid. Sie hatten keine Ahnung, wie grausam das Unberührbaren-Mädchen sein konnte, welche Forderungen sie stellen konnte. Ein Lächeln verzog ungebeten ihre Lippen, als ein Mann seine Ledermütze auf die Steinplatten des Hofes warf und seinem Standpunkt mit einem lauten Fluch Nachdruck verlieh. Mair zögerte nicht, ihren Absatz in die Mütze zu graben, und sie tat es seinem Fluch mit drei eigenen gleich, wobei sie mehr Kreativität und ein breiteres Vokabular an den Tag legte als er. Ihre Unberührbaren-Sprache hallte von den Palastmauern wider.
»Einige Dinge ändern sich nie.«
Rani erschrak bei der Stimme, obwohl sie wusste, dass sie sie hätte erwarten sollen. »Crestman«, sagte sie und wandte sich langsam um.
»Rani.«
Er war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, und seine Schultern waren breiter. Sein Gesicht war jedoch unverändert – die flächigen Wangen mit dem weißen Fleck seiner Löwennarbe, die harte Linie seines Kinns, die ruhigen Tiefen seiner dunklen Augen.
Seine Stimme war tiefer. Oder vielleicht klangen seine Worte nur heiser, weil er ihren Namen seit drei Jahren nicht mehr ausgesprochen hatte.
»Ich vertraue darauf, dass Ihr es in Eurem Quartier bequem habt, Mylord? Das arme Moren hat Euch zurzeit nicht viel zu bieten, aber Ihr solltet zumindest saubere Laken auf Eurem Bett vorgefunden haben.«
»Ja.«
Er machte es ihnen nicht leicht. Sie bemühte sich, ihre Stimme unbeschwert klingen zu lassen. »Man hat heute Morgen in den Straßen von Euch gesprochen. Ihr solltet recht erfreut sein – es braucht derzeit viel, um die Menschen ihren Streit über den Preis von Eiern vergessen zu lassen.«
»Ich habe den Klatsch nicht gehört.«
»Es heißt, Ihr hättet den König so beschämt, dass er nach Liantine reist.«
»Ich wollte ihn nicht beschämen. Er ist mein Lehnsherr, und ich hoffe nur, ihm zu dienen.«
»Ihr glaubt, dass es uris jetzt nützen wird, das Kleine Heer aufzuspüren? Während wir den Nachwirkungen von Feuer und Krankheit gegenüberstehen?«
»Er hat ein Versprechen gegeben. Gute Männer halten ihre Schwüre.«
»König Halaravilli ist ein guter Mann.« Rani antwortete, ohne nachzudenken, verdrängte ihre eigenen Zweifel, ihren eigenen Zorn. Gewiss, Hal war vielleicht boshaft. Er war vielleicht unreif. Er war vielleicht ein aufbrausendes, dickköpfiges, engstirniges, schimpfendes Kind, das glaubte, es könnte alles wiedergutmachen, indem es einen Strauß verwelkte Blumen schickte. Aber er versuchte, ein guter König zu sein.
Er versuchte, Morenia zu retten, auch wenn er keine andere Möglichkeit als ein unbedachtes Darlehen zu Wucherzinsen sah. Außerdem waren die Blumen vom Blau zarithianischen Glases. »Der König handelt so, wie er es für am besten hält, und denkt dabei an ganz Morenia.«
Etwas an ihren Worten verlieh Crestmans Antwort Schärfe. »Mylady, wenn wir das Kleine Heer jetzt nicht finden, wird es zu spät sein. Es ist vielleicht jetzt schon zu spät. Halaravilli regiert nun zwei Königreiche – Morenia und Amanthia. Und wir im Königreich des Nordens müssen unser Schicksal erfahren. Wir können nicht noch länger mit dieser Unentschlossenheit leben. Wir müssen unsere Kinder dem Scheiterhaufen übergeben oder sie nach Hause bringen.«
»Und seid Ihr auf das vorbereitet, was Ihr vorfinden könntet, Crestman? Seid Ihr darauf vorbereitet, dass womöglich das ganze Kleine Heer verloren ist?«
»Ich bin Soldat, Rani Händlerin. Ich bin auf die Realität des Krieges vorbereitet.« Die Worte ließen sie noch stärker frösteln als der
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