Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
reden.«
Mair nahm ihren Arm und zog sie durch den Raum auf die Treppe und die Palasttore zu, bevor sie an irgendwelche anderen Worte, an irgendwelche anderen Versprechen denken konnte. Ranis Gedanken tobten in ihrem Kopf, während sie sich dem Wachhaus näherten, aber sie zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. »Guten Morgen, Wodurini.«
»Guten Morgen, Mylady.« Der Mann verbeugte sich kurz und wandte sich Mair halb zu, um sie in seine Begrüßung mit einzuschließen. »Ihr geht nicht in die Stadt hinaus!«
»Aber ja. Lady Mair und ich haben Seiner Majestät versprochen nachzusehen, welche Fortschritte die Grabungsgruppen im Händlerviertel machen. Wir können erst mit dem Wiederaufbau des Marktplatzes beginnen, wenn die Schäden des Feuers beseitigt sind.«
Rani sprach in vergnügtem Tonfall, als sie Hals Namen anrief, aber ihr Herz pochte. Hal würde an dem Treffen der Gefolgschaft teilnehmen. Sie würde ihn zum ersten Mal seit ihrem entsetzlichen Streit Wiedersehen und zum ersten Mal, seit er ihr die Anemonen geschickt hatte, mit ihm sprechen. Sie ärgerte sich über sich selbst und verdrängte den Gedanken. Hal war ihr König, und in den Augen Jairs ihr Kamerad. Alles andere war davon losgelöst. Alles andere war angesichts der Notlage Morenias unwesentlich.
»Einer meiner Leute sollte Euch begleiten, Mylady. Dort draußen ist es gefährlich.«
»Die Gefahr besteht durch herabfallendes Holz, Wodurini. Keiner Eurer Leute kann uns davor beschützen. Wir werden vorsichtig sein.« Der Wächter runzelte die Stirn, aber Rani schüttelte den Kopf und log mühelos. »Außerdem haben die Bauleute, die am Hospital arbeiten, gesagt, sie brauchten heute Nachmittag Hilfe beim Errichten einiger Rahmen. Ihr werdet wahrscheinlich jeden Mann zum Hof schicken müssen, den Ihr erübrigen könnt.«
»Aber Mylady .«
»Es wird alles gut gehen.« Rani verlieh ihrer Stimme Festigkeit, lächelte aber. »Wir dürfen uns nicht verspäten. Der König wird nach uns fragen, wenn wir uns nicht beeilen.«
Rani legte ihre Finger auf Mairs Arm und zog ihre Freundin unter dem schweren Fallgatter hindurch. Sie ignorierte die leisen Beschwerden des Wächters, während sie sich in die Menschenmengen auf den Straßen der Stadt einreihte. Da so viele Menschen aus ihren vom Feuer zerstörten Heimen vertrieben worden waren, waren die gepflasterten Straßen bevölkert.
Mair nutzte den Vorteil des allgemeinen Tumults und zischelte: »Es war leichter, dem Ruf der Gruppe zu folgen, als ich mich nur vor meiner eigenen Unberührbaren-Schar verbergen musste.«
»Es ist auch leichter«, erwiderte Rani, »wenn sie uns nicht mitten am Tag rufen. Wie haben sie dir die Nachricht zukommen lassen?«
»Ich sprach gerade mit dem Zimmermann, der mir erklärte, warum das Geld des Königs bei einer langen Halle verschwendet wäre. Er glaubte ernsthaft, ich hätte keine Ahnung von der Sache. Du solltest den König warnen, Rai – dieser Zimmermann plant, sein Geld zu nehmen und die Arbeit nach der Hälfte liegen zu lassen. Er ist ein Briantaner! Er besitzt keinen Stolz! Er denkt, er könnte hierher nach Moren kommen und uns ausbeuten, genau dann, wenn wir ihn am meisten brauchen. Nun, er…«
»Mair«, unterbrach Rani sie. »Der Bote.«
Das Unberührbaren-Mädchen schluckte den Rest ihrer beißenden Rede hinunter, bevor sie fortfuhr: »Ich dachte zuerst, Rabe hätte das Kind geschickt.«
Rani nickte. Sie erinnerte sich an Mairs Leutnant – ein kluger Junge, der das Händlermädchen auf Anhieb nicht leiden konnte, das zur Gilde gewechselt und ihrer neuen Kaste dann entflohen war. Ehrlich gesagt, hatte Rani auch ihr Bestes getan, um ihn zu provozieren. Dennoch, der Junge – jetzt ein Mann, wie Rani vermutete – hatte die Aufgabe, seine Schar auf den Straßen zu leiten, gut erfüllt.
Mair fuhr fort: »Aber dieses Kind kannte ich nich’. Wer auch immer ihre Schar führt, erfüllt diese Aufgabe nich gut. Das arme Ding hatte nur ‘n Fetzen an, keinen Umhang nich in der Morgenkälte.«
Rani erkannte, dass Mair wieder in den Unberührbaren-Dialekt verfallen war, den sie ihre ganze Jugend über gesprochen hatte, und sie widerstand dem Drang zu lächeln. Heftige Empfindungen brachten stets Mairs raue Vergangenheit zu Tage. »Bestimmt hast du dem abgeholfen.«
Mair blinzelte. »Ja. Das Kind hatte Glück – der Umhang, den ich trug, war am Saum ein wenig ausgefranst. Vielleicht kann sie ihn behalten, wenn die älteren Kinder in ihrer Schar ihn zu schäbig
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