Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Sommers abgehalten. Die Kirche schien damit zufrieden, nur einen einzigen Priester zur Begleitung der königlichen Gesellschaft mitzuschicken, einen Pater Siritalanu. Hal fragte sich, wie oft der junge Geistliche seinen Vorgesetzten Bericht erstatten sollte.
Den königlichen Reisenden von Morenia waren Boten nach Liantine vorausgeeilt, die Hals Grüße und einen ersten, vorsichtigen Brief an Prinzessin Berylina überbrachten. Die Ankunftsdaten waren festgesetzt und Willkommensfeierlichkeiten versprochen worden.
Aber Hal hatte das alles verkompliziert, indem er früher eingetroffen war als erwartet, begünstigt von starken Frühlingswinden, welche die Segel seines Schiffes gefüllt und ihn über das Meer gefegt hatten. Der aufgeregte Hafenmeister Liantines kam ihm am Dock entgegen und führte die königliche Gesellschaft dann mit einer Mischung aus Ärger und Sorge zur Großen Halle. Hal ließ den größten Teil seiner Gefolgsleute zurück, zusammen mit seinem Kapitän, und befahl ihnen, für den Transport seiner Habe, der diplomatischen Geschenke und anderer Schätze zu König Teheboths Großer Halle zu sorgen.
Crestman hatte besondere Befehle von Hal erhalten. Der Amanthianer sollte an Bord von Hals Schiff warten. Er sollte sein Gesicht nicht in Liantine zeigen. Er sollte nicht außer sich geraten, bevor formelle Verhandlungen beginnen konnten.
Und so stand Hal nun in der Großen Halle und bemühte sich, sich nicht wie ein Eindringling zu fühlen. Der lange Raum war so reich verziert wie kein anderer, den Hal je gesehen hatte. Lange Streifen Spinnenseide hingen von der Decke und wölbten sich nach außen, um die Dachbalken zu verdecken. Der Stoff war in einem intensiven Smaragdgrün gefärbt, der Farbe Liantines, und ein zarter Silberfaden durchlief den Stoff, eine subtile Erinnerung an das Wappen des Königreichs. Seidenpaneele an den Wänden wiederholten das Thema, aber die silberne Nadelarbeit war dort offensichtlicher – Hal konnte den wilden Drachen erkennen, der das Symbol Liantines war, von unermüdlichen Webern an zahllosen Webrahmen beständig wiederholt.
Jeder Zentimeter Wandfläche war von der üppigen Seide bedeckt – sogar die Eingänge waren von schweren Vorhängen verhangen. Die Wirkung war erstickend, obwohl sie gleichzeitig Respekt gebot. Hal ermahnte sich, dass König Teheboth Besucher seines Hofes nur einschüchtern wollte, die Morenianer und jeden anderen einschüchtern wollte, der in geschäftlichen Angelegenheiten nach Liantine kam. Diese Ermahnung nutzte jedoch wenig, während Hal den im Raum drapierten Reichtum abschätzte. Die Anzahl der Octolaris, die nötig wären, um so viel Seide zu produzieren… Die Hunderte von Menschen, die nötig wären, um die Seide zu ernten und sie zu reinigen, zu spinnen und zu weben…
Hal trat von einem Fuß auf den anderen und empfand großes Unbehagen darüber, dass keine liantinische Amtsperson geblieben war, um sie willkommen zu heißen. Der Hafenmeister hatte an seinem Ohr gezogen und war an seine Arbeit zurückgekehrt, nachdem er einen Jungen losgeschickt hatte, um irgendjemanden zu suchen, der das Ansehen besäße, einen Gastkönig zu begrüßen.
Hals Träumerei wurde vom Geschnatter Mairs und Ranis hinter ihm unterbrochen. »Und dann habe ich ihm gesagt…«, erklärte Mair gerade und gab eindeutig irgendeine frühere Unterhaltung wieder. Höchstwahrscheinlich eine Unterhaltung mit Farsobalinti, sann Hal verärgert. Der Adlige beobachtete das Unberührbaren-Mädchen mit nachsichtigem Lächeln auf dem Gesicht.
»Es reicht!«, sagte Hal und ließ damit beide Mädchen zusammenzucken. »Ihr könnt später weitertratschen!«
Farso trat vor, als Mair etwas erwidern wollte, aber Rani legte eine Hand beruhigend auf den Arm ihrer Freundin. Hal war für diese geringe Unterstützung dankbar, ärgerte sich aber über die Tatsache, dass Mair überhaupt von jemandem gezügelt werden musste. Unberührbar oder nicht – sie sollte zumindest die Anstandsregeln ihrer Situation begreifen. Bevor er eine bissige Bemerkung machen konnte, wurde ein Streifen grüne Seide vor ihm beiseitegeschoben, so dass ein Eingang sichtbar wurde, den Hal nicht einmal vermutet hatte.
Anscheinend ohne die königlichen Besucher zu bemerken, betrat ein Mädchen die Empfangshalle. Sie blickte beim Gehen über die Schulter, ihre Bewegungen waren verstohlen, als verstecke sie sich vor jemandem auf der anderen Seite des Vorhangs. Sie hob blasse Hände zu ihrem Haar, strich sich in
Weitere Kostenlose Bücher