Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
waren in drei Wände eingelassen, einschließlich derjenigen, die auf das sturmbrausende Meer hinausblickte. Regen rann die Fenster hinab, deren Furchen es erschwerten, bei der unter ihnen liegenden Stadt klare Formen zu erkennen.
    Während sich Hals Augen an das verschwommene Licht gewöhnten, konnte er dunkle Holzstühle ausmachen, die sperrig an der festen Wand standen, mit schrecklichen Schnitzereien, die sich um ihre zerkratzten Beine zogen. Ein niedriger Tisch stand in einer Ecke des Raumes wie ein sich vor seinem Herrn duckendes Tier. Mitten auf dem Tisch befand sich eine abgeschirmte Laterne, deren Schmiedeeisen die bittere Kälte auszustrahlen schien, die den Raum durchdrang.
    Eines der Kindermädchen schüttelte den Kopf, während sie zur Schwelle trat und etwas über die unberechenbaren Launen von Kindern murmelte. Sie ging vorsichtig an ihrem Schützling vorbei und machte sich an der Laterne zu schaffen. Als sie sich herabbeugte, um nach dem Docht zu sehen, verdeckte sie die Laterne mit ihrem schwarz gekleideten Körper, aber bald flammte Licht in dem Sonnenraum auf und ließ die Schatten in die Ecken huschen. Das Kindermädchen zündete auch zwei dünne Wachskerzen an, die an beiden Enden des Tisches standen, wodurch dem Raum weiteres Leben verliehen wurde.
    Hal konnte jetzt erkennen, dass der Sonnenraum nicht verlassen gewesen war. Tatsächlich gab es viele Hinweise auf in diesem Raum empfundene Freude. Über zwei niedrige Stühle waren warme Decken für den Schoß drapiert, und ein kleines Buch lag aufgeschlagen auf dem Boden. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass es ein illustriertes Buch der Götter war, mit bunten, blaurot illustrierten Seiten, die den Leben der Tausend gewidmet waren. Ein Elfenbeinkamm lag auf dem niedrigen Tisch in der Nähe der Laterne, und Hal konnte ein einzelnes, mausbraunes Haar erkennen, das sich in den Zinken verfangen hatte.
    Seine Aufmerksamkeit wurde von einer Staffelei angezogen, die am Fenster stand, als hätte eine Künstlerin bei der Arbeit über den fernen Ozean geblickt. Schweres Pergament war auf dem Brett befestigt, festgehalten von einer geschickten Anordnung von Messingnägeln. Die stabile Ablage der Staffelei enthielt Stücke Zeichenkohle, weiße Tonzeichenstifte und ein langes Stück rötliche Kreide.
    Das Pergament zeigte den detaillierten Umriss einer Gestalt, feste Linien, die sich von dem beigefarbenen Hintergrund abhoben. Hal konnte die knorrigen Arme eines Menschen erkennen, Muskeln, die sich unter extremer Anstrengung krümmten. Um seine Finger waren Zügel geschlungen, und Hal konnte eine Wasserhose ausmachen, einen Wirbelsturm, der sichtbar an den Beschränkungen zerrte. Das Gesicht des Mannes war von der Anstrengung, den Sturm zu bändigen, verzerrt. Seine Wangen über einem verwilderten, auf liantinische Art geflochtenen und mit Muscheln und Stücken Strandgut bedeckten Bart wirkten hohl. Über die Schultern des Mannes war Seetang drapiert, und sein Haar war aus phantastischen Korallenstöcken gestaltet.
    »Kel«, sagte Hal.
    »Ja«, sagte Berylina, und sie errötete. Dieses Mal war die Farbe in ihren Wangen jedoch nicht durch Scham bedingt. Es war die mächtige Schattierung des Stolzes. Sie freute sich, dass Hal ihr Werk erkannt hatte.
    »Ihr habt ihn gut gezeichnet.«
    »Er ist noch nicht fertig.« Berylina trat zu der Staffelei und nahm einen der Kohlezeichenstifte auf. Das Werkzeug schien ihr die Macht der Sprache zu verleihen. »Ich habe ihn an Eurem Ankunftstag begonnen. Ihr sagtet, Kel sei Euch wohlgesonnen gewesen, habe Euer Schiff übers Meer getrieben. Ich habe an jenem Abend zu ihm gebetet, und er schickte mir diese Vision.«
    »Ihr habt gebetet…« Hal hörte die Zuversicht in ihrer Stimme, und er registrierte, wie seltsam es war, dass ein Kind so beiläufig von göttlichen Visionen sprach. »Soweit ich weiß, legt Euer Volk nicht viel Vertrauen in die Tausend Götter.«
    Berylina errötete, hob aber trotzig das Kinn an. Hal bemühte sich, ihre hervorstehenden, hasenartigen Zähne zu ignorieren. »Einige aus meinem Volk kennen Eure Götter. Mein Kindermädchen hat mir zuerst von den Tausend Göttern erzählt.«
    »Euer Kindermädchen?«
    »Ja.« Berylina deutete auf die älteste ihrer Dienerinnen. »Sie stammt aus Amanthia.« Aus Amanthia. Wie das versklavte Kleine Heer. Das Kindermädchen war jedoch zu alt, um einer von Sin Hazars Soldaten zu sein. Ihre Familie musste hierhergekommen sein, bevor der amanthianische König seine

Weitere Kostenlose Bücher