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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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verzweifelte Politik begonnen hatte.
    Aber die Soldaten des Kleinen Heers, die Liantine während der vergangenen Jahre betreten hatten – sie hatten ihre Tausend Götter mit sich gebracht. Vielleicht waren die Sklaven der Grund für Teheboths Heftigkeit bei der Jagd nach der Gehörnten Hirschkuh. Vielleicht verstärkte der amanthianische Glaube die Anbetung in Liantine, führte die Menschen wieder zu ihrer alten Art zurück, zu ihren dunklen Wegen, den geheimnisvollen Wegen der Waldgöttin…
    Prinzessin Berylina verharrte bei dem Beispiel ihres Kindermädchens: »Mein Kindermädchen hat es mich gelehrt. Sie kennt die Wahrheit.«
    »Die Wahrheit!« Hal wollte Berylina fragen, wie sie sich ihrem Vater widersetzen konnte, aber er versagte sich die Worte, da er fürchtete, sie könnten wie eine Anschuldigung klingen. Er bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall, als er fragte: »Darf ich auch Eure anderen Zeichnungen sehen?«
    Die Prinzessin warf ihm einen raschen Blick zu, als fürchtete sie, dass er sie verspottete. Hal hielt seine Miene vollkommen ausdruckslos, behielt den höflichen Ausdruck bei, bot aber keinen weiteren Druck. Die Gefahr schien vorüberzugehen, und Berylina wandte sich zu einem Tisch in der entgegengesetzten Ecke des Raumes um.
    »Hier, Mylord. Hier sind meine anderen Zeichnungen.«
    Hal trat vor, an den beiden schweigenden Kindermädchen vorbei. Die erste Zeichnung stellte Yen dar, den Gott der Musik. Er hielt eine Trommel in einer Hand, und Flöten lehnten an seinen Füßen. Sein Mund war zu einem O gerundet, als sänge er laut, und das Haar umfloss seinen Kopf in rhythmischen Kringeln.
    Das nächste Pergament zeigte Glat, den Gott des Schnees, mit einem Umhang aus frischen Flocken um seine uralten, spinnenartigen Schultern. Der Kopf des alten Mannes war fast kahl, mit nur noch einem Rand dünnen Haars am Hinterkopf, ein Kreis, der nur Schneestaub sein mochte.
    Da waren Ile, der Mondgott, und Par, der Gott der Sonne. Da waren die Götter der Pferde und Falken und eine kleine Zeichnung des Gottes der Katzen. Weiter unten in dem Stapel befand sich eine Zeichnung von Tren, dem Gott der Kerzen.
    Wie Berylina gesagt hatte, war er kein glücklicher Gott. Sein Gesicht war in langen Linien gezeichnet, die von Missmut und Bitterkeit zeugten, als hätte er rohes Grünzeug gegessen. Er streckte seinen Betrachtern eine Kerze entgegen, lockte sie offensichtlich voran, zog sie in die Zeichnung hinein. Hal konnte erkennen, was Berylina meinte, als sie sagte, der Gott habe keine Freunde. Er verrichtete seine Aufgabe, er präsentierte seine Kerzen, aber er hatte keine Kraft für gute Laune und frohe Kunde übrig.
    Die Zeichnungen der Prinzessin waren nicht perfekt. Hal konnte erkennen, dass sie nicht von einem Hofmaler angefertigt wurden. Bei einem Bild war ein Arm in unnatürlichem Winkel verdreht, bei einem anderen fielen die Seidengewänder in starren, unmöglichen Falten. Dennoch sprang einem ein jeder Gott mit eigener Kraft und Lebendigkeit von der Seite entgegen, ein Grad von Detailliertheit, der Hal erstaunte. Es war, als wenn die Götter nacheinander zu Berylina gekommen wären, hierhergereist wären, um sich in ihrem Sonnenraum neben die Prinzessin zu setzen, ihre Merkmale um sich versammelnd, so dass sie sie aufs Pergament übertragen konnte. Pater Siritalanu, mit seinem gewissenhaften Glauben, wäre fasziniert.
    Hal schaute von den Zeichnungen auf und sah, dass Berylina ihn scheu anlächelte. Er überspielte seine Überraschung, indem er sagte: »Diese Zeichnungen sind sehr gut, wisst Ihr.«
    »Die Götter… sie kommen zu mir. Ich kann sie sehen, und sie führen meine Hand. Sie helfen mir beim Zeichnen.«
    »Ihr müsst ein überaus frommer Mensch sein, wenn die Götter auf diese Weise zu Euch sprechen.«
    Sie zuckte die Achseln. »Sie kommen. Ich denke an sie, und ich rufe sie beim Namen. Manchmal muss ich beten, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich habe noch nie einen Gott umsonst um seinen Besuch gebeten.«
    Hal musste weiterforschen. »Euer Vater muss sehr stolz auf Euch sein.«
    Berylina sah ihn seltsam an. Er konnte nicht erkennen, ob ihr Blick skeptisch war oder ob sie ihn nur mit einem ihrer schielenden Augen einfing. Dann flüsterte sie: »Mein Vater hätte kein Interesse an meinen Zeichnungen.«
    Hal wandte sich wieder den Arbeiten zu. Er bemerkte ein besonders großes Pergament, das umgekehrt lag und unter einem Stapel fertiggestellter Zeichnungen hervorsah. »Was ist dieses

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