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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Bild?«
    »Nichts!« Berylina stürzte vorwärts und legte eine Hand direkt auf die Seite.
    »Bitte! Lasst es mich sehen.«
    »Nein, Mylord. Es war nur eine misslungene Zeichnung.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Alle Eure Zeichnungen sind recht gut gelungen. Besser als alles, was ich jemals versuchen könnte.«
    »Bitte, Mylord.« Sie war so aus der Fassung gebracht, dass sie ihre Hände auf seine legte und darum rang, ihm das Pergament wegzunehmen. »Es war nur etwas, was ich am Tag Eurer Ankunft zu zeichnen begonnen habe. Bevor Kel zu mir sprach. Bevor ich erkannte, dass ich den Gott des Meeres zeichnen musste.«
    »Mylady, lasst es mich sehen!«
    Er sprach härter als beabsichtigt, und Berylina hielt den Atem an. Ihre Finger gefroren auf der Rückseite des Pergaments zu Kristallen, und dann schloss sie sie, einen nach dem anderen, bis ihre Hand eine schwere, verzweifelte Faust war.
    Hal bedauerte, sie erschreckt zu haben. Er bedauerte es, dass sie vor ihm zurückschrak. Nun musste er jedoch sehen, was auf dem Pergament war. Er musste die Zeichnung sehen, bei der sie darum kämpfte, sie ihn nicht sehen zu lassen, obwohl sie die übrigen doch so großzügig mit ihm geteilt hatte. Er bewegte seine Hand über ihre, aber sie zog sich zurück, bevor er sie tatsächlich berühren konnte. Tatsächlich wich sie vom Tisch zurück und trat neben ihre schweigenden, missbilligenden Kindermädchen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und verbarg die Hände, als wären sie schmutzig geworden.
    Hal atmete tief ein und drehte die Zeichnung um.
    Zunächst konnte er nicht erkennen, was er sah. Eine zornige Hand hatte mit roter Kreide über das Pergament gestrichen und rostfarbene Linien hinterlassen, die wie gerinnendes Blut wirkten. Unter dem Rot, unter den Bemühungen, die Arbeit zu verunstalten, konnte Hal jedoch unsichere Kohlestiftlinien erkennen.
    Die verdorbene Zeichnung war nicht mit derselben starken Hand angefertigt worden wie die Zeichnungen der Götter. Diese Linien waren eher tastend und zögerlich, unter der Kreide kaum sichtbar. Hal drehte das Pergament ein wenig, um das Licht einzufangen, und erkannte ein Gewirr von Linien, die Geweihe sein mochten. Er drehte die Zeichnung weiter und konnte den Körper eines Tieres sehen, eine verzerrte Flanke, die zu einem Hirsch gehören könnte.
    Dann dämmerte ihm die Erkenntnis. »Die Gehörnte Hirschkuh.«
    »Ja, Mylord«, flüsterte Berylina, über den Raum hinweg kaum hörbar.
    »Aber warum habt Ihr sie verdorben?«
    Er glaubte einen langen Moment, Berylina würde nicht antworten, dass sich Worte als zu viel für sie erweisen könnten. Ihre Lippen zitterten, und eine Träne löste sich aus ihrem rechten Auge und rann wie eine Seidenperle ihre Wange hinab. »Ich habe es versucht, Mylord«, keuchte sie schließlich. »Ich versuchte, sie richtig zu zeichnen, aber ich konnte es nicht. Ich konnte sie nicht zeichnen. Ich wollte sie meinem Vater schenken, zur Frühlingsjagd. Die Gehörnte Hirschkuh spricht jedoch nicht zu mir, nicht wie die Tausend Götter. Sie wollte nicht, dass ich sie zeichne.«
    Hal erholte sich von dem Sturzbach von Worten und fragte dann vorsichtig nach: »Sie wollte es nicht?«
    »Die Gehörnte Hirschkuh wird in Liantine immer stärker, aber sie kennt keine Gnade mit Menschen wie mir.«
    »Wie Ihr?«
    Berylina hob ihr verzerrtes Gesicht, das durch die verkniffenen Lippen noch reizloser wirkte, während sie ihr Schluchzen zu unterdrücken versuchte. »Die Gehörnte Hirschkuh belehrt mich, dass mich meine Augen kennzeichnen, Euer Majestät, dass sie mich als jemanden kennzeichnen, der die Wahrheit nicht erkennen kann. Die Gehörnte Hirschkuh sagt, dass meine… meine Zähne das Ringen um das Gute in meinem Körper symbolisieren, das stets entkommen will. Die Gehörnte Hirschkuh sagt, ich sei böse!«
    »Ihr seid nicht böse, Mylady!«
    »Die Gehörnte Hirschkuh sagt es! Mein Vater sagt es! Er sagt, die Tausend Götter seien für Sklaven und Schwächlinge, und nur die Gehörnte Hirschkuh sei wahr!« Das Mädchen sprang nach dem Pergament, das Hal noch in der Hand hielt, entriss es ihm unerwartet und zerknüllte es. Dann presste sie die zerstörte Zeichnung an ihren Bauch und trat stolpernd vom Tisch fort. Eines der Kindermädchen nahm das schluchzende Kind in die Arme, streichelte ihr Haar und summte hilflos tröstende Worte. Die andere Frau schürzte in stummem Missfallen die Lippen und sah Hal so finster an, als wäre er die Ursache der Qual der

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