Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Prinzessin.
Hal sah entsetzt schweigend zu und wunderte sich über die Seelenangst dieses verschmähten Kindes. Während sein Herz Berylina zuflog, versank er gleichzeitig in seinen eigenen Erinnerungen an einen Vater, der sich nicht freuen konnte, an einen Hof, der ihn für einen makelbehafteten Dummkopf hielt.
Er kannte Berylinas Qual. Er verstand ihren Schmerz.
Bevor er entscheiden konnte, was er sagen sollte, wie er reagieren sollte, entstand auf der zum Sonnenraum führenden Treppe Aufruhr. »Euer Majestät!« Hal erkannte die Stimme seines Knappen, noch während Farsobalinti zur Tür des Raumes trat. Als Berylinas Schluchzen beim Ruf des Neuankömmlings lauter wurde, trat Hal vor sie hin und schirmte sie vor Calaratinos Sicht ab.
»Euer Majestät!«, rief der Junge erneut.
»König Halaravilli ist hier, Junge«, sagte Farso und streckte eine Hand aus, um den keuchenden Knappen zu beruhigen. »Welche Nachricht hast du für ihn?«
Calaratino stolperte einen Schritt vorwärts, noch immer nach Luft ringend, und sah sich in dem Sonnenraum um, als befände er sich in einem seltsamen neuen Land. Farso legte eine Hand auf die Schulter des Jungen und schüttelte ihn leicht, als würde das eine raschere Antwort bewirken.
Der Knappe erinnerte sich daran, sich kurz vor Hal zu verbeugen, und warf dann einen Blick auf die schluchzende Prinzessin. Hal verengte die Augen, und Farso handelte dem stillschweigenden Befehl gemäß. »Komm, Calaratino«, sagte der Edelmann. »Welche Nachricht ist so wichtig, dass du hierher gelaufen bist, um uns zu suchen?«
Der Knappe streckte eine eingeölte, mit Bleikappen versiegelte Röhre aus. »Gerade ist ein Schiff im Hafen eingelaufen, Euer Majestät, aus Morenia. Dieses Sendschreiben wurde dem Kapitän anvertraut, mit dem Befehl, es Euch unverzüglich zu übergeben.«
Hal beugte sich näher heran, um die Röhre zu betrachten. Wassertropfen hatten sich auf der Seite gesammelt, Überreste des Sturms, der gegen die Fenster des Sonnenraums blies. Hal rieb mit der Handfläche über die Regentropfen, glättete die geölte Oberfläche und wischte sich die feuchten Finger dann an seinem Oberschenkel ab. Es war kein Hinweis darauf erkennbar, wer das dringende Sendschreiben geschickt hatte – kein Siegel, keine Bänder, kein wie auch immer gearteter Hinweis.
Farso schien sein Unbehagen zu bemerken. »Sire, soll ich… die Damen hinunterbegleiten?«
Hal dachte an die Panik, die solche Aufmerksamkeiten vermutlich bewirken würden, zumindest bei der armen Prinzessin, und seufzte. »Nein, Mylord. Wir sind in Prinzessin Berylinas Sonnenraum Gäste. Ich habe mich schon dadurch genug aufgedrängt, dass ich meine Angelegenheit hierher gebracht habe. Es besteht kein Grund, die Damen zu vertreiben.«
Dennoch war die Nachricht dringend. Sie erforderte seine sofortige Aufmerksamkeit. Er schritt zum regenglänzenden Fenster auf der anderen Seite des Raumes und ergriff eine der angezündeten Wachskerzen, während er von den Liantinern Abstand nahm. Er stellte die Kerze auf einen Tisch und atmete tief durch, bevor er die Röhre öffnete.
Das Pergament, das in seine Hand glitt, schien recht harmlos. Es war ein einzelnes Blatt, schmaler zusammengerollt als sein Handgelenk. Es waren wieder keine Kennzeichnungen zu entdecken, kein Wachssiegel, kein Band, nicht einmal eine charakteristische Handschrift. Er schaute nach einer Unterschrift, aber da war keine.
Er murmelte ein Gebet an all die Tausend Götter, entrollte das Pergament und drehte es der Kerze zu, um das trübe Licht bestmöglich zu nutzen. Er begann zu lesen.
»Im Namen Jairs.«
Hal schaute rasch auf und untersuchte die geölte Röhre ein letztes Mal auf irgendein Zeichen der Herkunft des Dokumentes. Nichts. Die Nachricht war anonym, als trüge sie eine Kapuze, als schleiche sie in den dunkelsten Stunden der Nacht umher.
Im Namen Jairs. Königreiche steigen auf und Königreiche versinken, alles aufgrund des Verlangens nach Gold. Der Erste Pilger bot seine Reichtümer an, eintausend Barren Gold, beim Fest des Ersten Gottes Ait. Jair leitet uns in allen Dingen, segnet Körper und Seele für immer. Mögen alle, die ihren Brüdern treu ergeben sind, eintausend Barren anbieten – Gold, um Jairs Sache zu dienen. Derjenige, der vom Ersten Pilger abweicht, riskiert Leben und Leib und ewigen Frieden, aber derjenige, der Jair ehrt, findet auf immer und ewig Ehre und Ruhm. Möge uns Jair behüten und beschützen, in alle Ewigkeit.
Ein kalter
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