Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
niemanden von ihnen im Stich!«
»Nicht wenn Ihr hier bleibt. Nicht wenn Ihr wartet, bis sich die Tore öffnen. Nicht wenn Ihr die Schlacht von diesem günstigen Standort aus befehligt und Euch uns in Moren anschließt, wenn Ihr könnt.«
Hals Augen füllten sich mit ungewollten Tränen. »So sollte es nicht sein, Mylord. Dies ist nicht das, was mein Vater getan hätte. Dies ist nicht die Art eines ehrenwerten Sohnes des Hauses Jair.«
Puladaratis Gesicht nahm weichere Züge an. Er schluckte schwer, und dann hielt er Hal seine Hand vor die Augen. »Seht Ihr dies, Mylord? Seht Ihr die drei Finger, die mir geblieben sind. Wisst Ihr, wie ich die anderen verloren habe?«
Fehlende Finger. Kostbare Dinger. Finger. Dinger. Finger.
Der Reim schien zu ermüdend, als dass Hal auch nur versucht hätte, seinen Geist zu kontrollieren. Also schüttelte er nur den Kopf. Puladarati senkte seine Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Ich habe sie bei einem Feldzug mit Eurem Vater verloren, mögen all die tausend Götter ihn hinter den Himmlischen Toren sicher bewahren. Wir waren in den Ostmarken und wurden vom Hauptpulk unserer Truppen getrennt. Euer Vater blieb geschützt zurück, während ich einen sicheren Weg auskundschaftete. Ich fand ihn, aber erst nachdem diese Bastarde ihren verdammten Hinterhalt errichtet hatten.«
»Damals müsst Ihr ihn gehasst haben! Ihr müsst es ihm übelgenommen haben, dass er im sicheren Lager wartete, während Ihr dem Tode nahe wart!«
»So war es überhaupt nicht«, sagte Puladarati, und seine Stimme klang sanft wie die einer alten Kinderfrau. »Er war der rechtmäßige König. Er war mein Herr und Meister. Ich habe ihm stolz gedient, und der größte Tag meines Lebens war der Tag, an dem ich ihn in Sicherheit brachte. Zum Rest unseres Heeres zurück und letztendlich zum süßen Sieg.«
Hal betrachtete die verstümmelte Hand, wunderte sich über die einfache Treue, den massiven Verlust. Er versuchte, sich diese Treue vorzustellen, die Treue von Dutzenden von Männern, die gerade jetzt bereitstanden, um für ihn zu kämpfen. Er schluckte und zwang sich, Puladaratis erwartungsvollem Blick zu begegnen. »Also gut. Ich werde hierbleiben und die Kräfte befehligen.«
Puladarati lächelte das listige Lächeln einer Wildkatze. »Gut, Majestät. Mögen all die Tausend Euch bewahren.«
Hal ließ den Segen in der Luft verweilen, während er beobachtete, wie König Hamid die Soldaten auf die Tore Morens zubewegte.
Während Rani den Frieden der Ergebenheit den Göttern gegenüber verspürte, erkannte sie gleichzeitig, dass sich der Raum mit Menschen zu füllen begann. In schwarze Gewänder gekleidet, von dunklen Masken verhüllt, glitten Mitglieder der Gefolgschaft in den Raum. Zuerst waren es ein Dutzend, dann vierzig, dann mehr als einhundert.
Rani sah sich offen um und gab nicht länger vor, den lächerlichen Regeln der Gefolgschaft zu folgen. Nichts konnte sie davon abhalten, ihre Gesichter zu betrachten, nichts konnte sie von dem Versuch abhalten, Einzelne unter ihren dunklen Gewändern zu erkennen.
Da. Diese kleine Gestalt musste Glair sein, die Unberührbaren-Frau, die Morens Gefolgschaft lange angeführt hatte. Sie lief mit einem charakteristischen Hinken, drehte sich zu einer Seite, während sie auf das Podest zuhielt. Sie blieb vor Dartulamino stehen, erkannte den Priester eindeutig, auch wenn er im Schutze seines Gewandes dort stand.
Es waren auch andere da, die Rani kannte. Irgendwo im Raum war Borin, der Anführer des Händlerrates, das Mitglied ihrer Geburtskaste, das ihr geholfen hatte, dem sicheren Tod zu entfliehen, als sie noch ein Kind war. Borin war mit Mair befreundet gewesen, hatte seine Herzlichkeit auf Mairs Bitte hin auch auf Rani ausgedehnt.
Konnte Mair gerade jetzt auch in diesem Raum sein? War sie Rani zur Stadt gefolgt, durch die Tore gelangt?
Rani bezweifelte nicht, dass Mair von den Geheimgängen in der und um die Kathedrale wusste, genauso wie sie den geheimen Gang gekannt hatte, den sie vor so vielen Wochen zur Flucht benutzt hatten. Mair kannte alle Unberührbaren-Wege, auf denen man sich in Moren bewegen konnte. Sie hatte Adlige und Soldaten, Gildeleute und Händler im Laufe der Jahre Dutzende von Malen ausgestochen. Es sähe ihr ähnlich, ein schwarzes Gewand anzulegen, ihr Gesicht zu bedecken und sich lachend, Ränke schmiedend und schmerzvolle Tode planend unter ihren Feinden zu bewegen.
Rani spürte ein Jucken zwischen den Schulterblättern,
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