Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Gedanken fest.«
»Ich hätte dir mit dem Feuer geholfen.«
»Still.«
»Das hätte ich!«
»Du hättest es verdorben.« Seine jungen Lungen waren stark. Er hätte die Asche über den Boden verstreut. »Du solltest dich konzentrieren, nicht reden.«
»Ah, ja. Meine Morgenbefragung.«
»Befragung?« Sie schnaubte wider Willen, obwohl sie wollte, dass er schwieg und sich konzentrierte. »Fürchtet ihr Leute aus dem Norden Fragen alle so?«
Er lächelte und zuckte die Achseln. Er war stets entspannt, wenn er erwachte, träge und sanft, als lege er seine sarkastische Maske nur mit seiner Kleidung an. Sie trat zu der lavendelduftenden Schlafstelle zurück und streckte sich neben ihm aus. Seine vernarbten Hände legten sich um ihre, wanderten ihre Seiten hinab, aber sie hinderte ihn mit ihren verschränkten Fingern.
»Also mach weiter«, sagte sie. »Sieh in die Flammen.« Seine Finger wanderten ihren Arm hinauf. »Versuch nicht, mich abzulenken, Reisender.« Er seufzte mit gespielter Enttäuschung, richtete seine Aufmerksamkeit aber auf den Herd. »Erzähl es mir«, drängte sie. »Bevor du es vergisst.«
Er schwieg eine lange Minute, und sie zwang sich, still neben ihm zu liegen. Sie maß ihren Atem, langsam und gleichmäßig. Sie versuchte, ihn zu unterstützen, ihm zu helfen. Es war wichtig für ihn, sich zu erinnern, zu reden. Nach mehreren tiefen Atemzügen und Schweigen konnte sie sich jedoch nicht daran hindern zu drängen: »Erinnerst du dich an etwas? Auch an Bilder, wenn du dich nicht an einen ganzen Traum erinnern kannst.«
»Ich sagte es dir, Kella. Ich träume nicht.«
»Jedermann träumt. Du musst üben, dich zu erinnern, was du siehst.«
»Ich kann dir alles sagen, was ich mit wachen Augen sehe. Ich bin nicht träge. Ich weiß, wie ich meine Sinne benutzen muss.«
»Ich weiß, dass du nicht träge bist. Aber ich weiß auch, dass du dich nicht konzentrierst.«
»Kella, warum ist dies so wichtig für dich?«
Warum? Sie war sich nicht sicher, wie sie ihm antworten sollte. Vielleicht war es wichtig, weil sie ihre Träume stets geteilt hatte – zuerst mit ihrer Mutter, dann mit ihrer jüngeren Schwester, dann vor langer Zeit mit ihrem Ehemann. Vielleicht war es wegen der Antworten wichtig, die sie auf ihre Fragen gefunden hatte. Antworten, die in den gewundenen Gängen des Schlafes lauerten. Vielleicht war es wichtig, weil es in Träumen wahre Hexenmacht gab, wahre Energie und Kraft, die durch klug gewählte Kräuter gefördert werden konnte. Vielleicht war es wichtig, weil es sie so begeisterte, den Gaukler sprechen zu hören.
»Schau in die Flammen, Tovin. Konzentriere dich, und erinnere dich an deine Träume.«
Kella lauschte auf seinen Atem neben ihr. Sie hörte das Feuer auf dem Herd knistern, das Nagen der kleinen Flammen, während sie sich durch das trockene Holz fraßen. Sie hörte eine Brise in den Bäumen draußen aufkommen, das Rascheln von Blättern und das Reiben eines Astes an einem anderen. Aber keine Worte. Keine Träume. Nach langem Schweigen seufzte Tovin. »Nichts.«
»Nichts«, wiederholte sie.
»Ich habe es versucht, Kella.«
»Natürlich hast du das.« Sie bemühte sich, einen nüchternen Tonfall beizubehalten.
»Ebenso wie du«, konterte er, und sie war nicht überrascht, dass er zu argumentieren begann. »Es ist nur fair, wenn du es jetzt versuchst, Kella. Du hast es versprochen.«
Das hatte sie, nicht wahr? In einem schwachen Moment, als sie mehr darauf erpicht gewesen war, den Mann neben sich zu halten, als ihrem gesunden Menschenverstand zu folgen. Was hatte sie sich dabei gedacht? Die Schwestern würden sie lachend aus ihrem Kreis ausschließen, wenn sie sie hier sähen, von einem hübschen, jungen Mann beeinflusst.
»Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest«, sagte er leichthin und lächelte, während sie zornig ihre Schultern anspannte. Er wusste genau, wie er ihr eine Reaktion entlocken konnte. Sie betrachtete die leichte Wölbung seiner Lippen und ermahnte sich, ebenfalls Belustigung zu zeigen. Sie tat immerhin nichts, was sie nicht wollte. Nicht wirklich. Und sie könnte noch immer lernen, die Macht seiner List zu beherrschen, sie bei ihrer eigenen Hexerei zu benutzen.
Sie sank auf das Lager zurück, die Arme steif am Körper. »Lass uns dies dann rasch hinter uns bringen. Ich muss Süßwein ernten.«
»Ich werde dir mit dem Süßwein helfen«, sagte er. Sie schnaubte. Er war so unvorsichtig wie ein Kind, wenn er etwas mit ihren Pflanzen zu tun
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