Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
hatte. Seine Hände waren von einem Netzwerk von Narben bedeckt, von dünnen, weißen Linien, die einander kreuzten wie wuchernde Wurzeln. Er würde die Blütenblätter gewiss zerdrücken. Dennoch ließ sie sich von seiner Stimme besänftigen. »Entspanne dich, Kella. Leg dich auf das Lager.«
    Seine Hände strichen über ihre Seiten, entspannten sie. Sie bemühte sich, nicht bei der Wärme seiner Haut zu verweilen. Sie wurde in ihrem gut mittleren Alter noch töricht. Sie sollte nicht zulassen, dass der Gedanke an einen Jungen sie so verwirrte. Die Sonne würde bald aufgehen. Der Süßwein würde austrocknen. Sie würde die Blütenblätter für das ganze Jahr verlieren, würde mit dem getrockneten Material auskommen müssen, das bereits zwischen den Dachsparren ihrer Hütte hing. Kein Handgeld-Vertrag würde gutes Geld für Tränke einbringen, die nur aus getrockneten Zutaten gemacht waren.
    »Atme tief durch, Kella. Denk an deine beruhigendsten Kräuter. Stell dir vor, sie seien auf das Lager gestreut. Atme ihren Duft. Rieche sie. Schmecke sie in der Kehle. Erinnere dich, Kella. Erinnere dich des Friedens, der aus deiner Arbeit erwächst, aus deinem Erfolg.«
    Ihre Arbeit. Was glaubte er darüber zu wissen? Er hatte sich niemals den Schwestern angeschlossen. Er konnte ihre Macht bei der Verarbeitung der Kräuter nicht verstehen. Er konnte die Ausgewogenheit zwischen den Feuer- und den Eiskräutern nicht verstehen, zwischen den Erd- und den Luftpflanzen.
    »Entspanne dich, Kella. Wenn du dich von mir führen lässt, kannst du Macht berühren, von der du bisher nur geträumt hast. Folge meiner Stimme. Komm mit mir, wenn du bereit bist.«
    Seiner Stimme folgen. Der Stimme eines Mannes, der nur halb so alt war wie sie. Wenn sie einen Sohn hätte, wäre es seine Stimme. Aber sie hatte nie die Zeit gefunden, einen Kindersamen in sich zu nähren. Ihr Ehemann hatte sie deswegen verlassen. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich um ihre Kräuter zu kümmern. Um ihre Studien. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, durch die Wälder zu streifen, sich mit den Schwestern zu treffen. Mit Frauen wie ihr, wie ihre Mutter. Alte Frauen. Weise Frauen. Frauen, die sich nicht mit bedeutungslosen Dingen aufhielten.
    »Kella, du musst deinen denkenden Geist loslassen. Hör auf, die Tage bis zur nächsten Ernte zu zählen.« Tage? Stunden! Sie musste die Ernte bis zur zweiten Stunde nach der Dämmerung beendet haben. Dieser Reisende wusste nichts.
    »Kella, du besitzt die Macht, dich zu konzentrieren. Ich habe gesehen, wie du dich auf deine Arbeit konzentrierst. Hör auf, dich meinen Worten zu widersetzen, und lass dich zu den beruhigenden Kräutern treiben, zu den sanften Kräutern.« Beruhigende Kräuter. Als könnte er nur ein einziges davon benennen. Als wüsste er auch nur irgendetwas über sie, über ihre Arbeit.
    Sie setzte sich auf dem Lager auf, entzog sich der besänftigenden Hand, die er auf ihrem Arm zu belassen versuchte. »Es liegt keine Kraft in deiner Hypnose, Mann.«
    Sie dachte, er würde zornig werden. So war es bei jedem anderen Mal gewesen, als sie ihm nicht hatte folgen können. Dieses Mal seufzte er jedoch nur. »Ich habe Kraft, Kella. Kraft genug für jeden, der jemals zum Hypnotisieren zu meinen Gauklern kam. Aber du hast mehr Macht als ich. Du kannst mir stärker widerstehen als jeder andere, dem ich zu helfen versuchte.«
    Zu helfen versuchte. Sie hatte ihn niemals um Hilfe gebeten. Er schien darauf versessen, sie in die Hypnose zu führen, ihre Geschichte zu ernten, wie sie irgendein kostbares Kraut im Wald ernten würde. Sie zwang ihre Stimme zur Leichtigkeit. »Ich widerstehe dir nicht, Reisender. Ich habe einfach andere Dinge im Kopf. Andere Probleme. Andere Ziele.«
    Sein Seufzen klang schwer genug, dass sie ihm einen besorgten Blick zuwarf. Dies war der Grund dafür, warum kein Mann länger als eine Jahreszeit bei ihr geblieben war. Sie wurden es müde, sie nicht zu verstehen. Sie wurden es müde, nicht in der Lage zu sein, ihre Denkungsart zu teilen. Sie wollten ihre Energie auf ihre eigenen Vorhaben, ihre eigenen Ziele umleiten.
    »Und was wäre das?«, fragte er argwöhnisch.
    »Zunächst, den Süßwein zu ernten. Und da du mich mit deiner mysteriösen Hypnose aufgehalten hast, kannst du mir helfen. Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis die Sonne zu hoch stehen wird.« Er könnte zumindest den Sack tragen. Den Sack und einen Wasserschlauch. Und eine Decke, damit sie es sich bequem machen

Weitere Kostenlose Bücher