Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Versammlung. Eine verhüllte Gestalt trat vor, ein alter Mann, seiner Gangart nach zu urteilen. Seine Stimme bestätigte Kellas Vermutung, als er eine zitternde Begrüßung äußerte. »Lasst uns im Namen Jairs beisammen sein.«
»Lasst uns im Namen Jairs beisammen sein«, wiederholte die Gruppe, und Kella war überrascht von der Vielzahl der versammelten Menschen. Sie verbargen sich vielleicht in den Wäldern. Sie trugen vielleicht in der Nacht Verkleidungen. Aber sie hatten keine Angst, zu ihrer Einigkeit zu stehen, ihre Verbundenheit in der Nacht zu verkünden. Sie zitterte und fragte sich nach der Identität ihres geheimen Nachbarn.
»Ich werde eure Zeit nicht verschwenden, Gefolgsleute«, sagte der alte Mann. Kella hörte seine Stimme und erkannte, dass er nicht im Wald lebte. Dessen war sie sich sicher. Sie hätte ihn gekannt, wenn dem so gewesen wäre. Sie hätte seine nörgelnde Stimme erkannt, die zerbrechliche Linie seiner Schultern erkannt. »Wir sind heute Abend wegen eines Besuchers hier versammelt, einer der Unseren, der weit geritten ist und bedeutsame Neuigkeiten mitbringt. Er hat unsere Zusammenkunft gefordert. Er bat darum, heute Abend zu euch allen sprechen zu dürfen.«
Kella hörte die Verärgerung des alten Mannes. Er wollte derjenige sein, der Entscheidungen für diese Gruppe traf. Er wollte derjenige sein, der sagte, wann sie auf ihren Pferden durch die Wälder ritten, wann sie ihre Reisen unter dem mondbeschienenen Himmel unternehmen würden. Er war von diesem geheimnisvollen Besucher benutzt worden, er war gezwungen worden, eine Versammlung einzuberufen, und das gefiel ihm nicht.
Dem Soldaten neben ihr auch nicht, erkannte Kella, als sich der Griff des jungen Mannes um ihren Arm festigte. Sie wollte sich ihm entziehen, den Druck lindern, während seine Finger fast bis auf ihren Knochen drückten, aber ihr Widerstand steigerte seine Kontrolle nur noch. Er atmete kurz und scharf. Wären sie in ihrer Hütte gewesen, hätte sie einen Heiltrank aus Herzleicht vorgeschlagen.
Aber sie waren nicht in ihrer Hütte. Sie befand sich bei einer Geheimversammlung auf einem verlassenen Bauernhof, traf die Gefolgschaft des Jair unter dem Licht eines zunehmenden Mondes. Andere traten beiseite, um einen mit einer Kapuze verhüllten Fremden zur Vorderseite des Raumes durchzulassen. »Ich grüße euch, im Namen des Jair«, sagte der Neuankömmling, und seine Worte klangen vom schwerfälligen nordländischen Akzent wider.
»Wir grüßen dich, im Namen des Jair«, antwortete die Versammlung, aber Kella beteiligte sich nicht, auch wenn der Soldat sie näher zu sich zog.
»Ich komme aus dem Norden zu euch«, sagte der Fremde. »Aus Morenia. Ich komme, um über unseren Fortschritt zu berichten, da wir den Königlichen Pilger suchen, da wir denjenigen suchen, der alle Länder vereinen und uns die Macht verleihen wird, sie wie eines zu regieren.«
Auch Kellas Atem beschleunigte sich. Der Königliche Pilger. Genau wie die Schwestern vor Jahren berichtet hatten. Wer könnte so unterschiedliche Völker vereinen, wie es sie überall auf der Welt gab? Wer könnte Nordländer mit Menschen von jenseits des Meeres zusammenbringen? Wer könnte die frommen Briantaner mit einer Gruppe gottloser Liantiner vereinen?
Kella konnte sich gut an die Versammlungen ihres kleinen Hexensabbats erinnern, an die endlosen Nächte, in denen die Schwestern über die Gefolgschaft diskutiert hatten, während sie sich gleichzeitig über die besten Breiumschläge und Tees und Heilkräuter Gedanken machten. Die Schwestern hatten entschieden, dass der Königliche Pilger nur ein Traum sei, ein Wunsch, die Phantasie der Gefolgschaft.
Wenn dem jedoch so war, hatte diese Phantasie Jahre überdauert. Die Schwestern waren der Gefolgschaft schon vor langer Zeit überdrüssig geworden, aber die Besessenheit des Geheimbundes ging eindeutig weiter.
Der Nordländer fuhr in kultiviertem, gut geübtem Tonfall fort. »Das Königreich Morenia ist in Chaos verfallen. Die Tore seiner Hauptstadt sind zerstört, und sein König ist geflohen. Er war natürlich einer von uns.«
Kella spürte, wie sich der Soldat neben ihr bei dieser Behauptung noch stärker anspannte. Also gab es einen Bund, zwischen ihm und dem König aus dem Norden. War er ein treuer Krieger, dem Schutz seines Lehnsherrn vor mörderischen Angreifern verschworen? Kella konnte das nicht glauben. Sie konnte nicht glauben, dass das Scheusal, das sie angegriffen hatte, an die Seite irgendeines
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