Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
gerungen. Der Weg verengte sich, erweiterte sich wieder, fand einen Waldstrom, an dem er entlanglief.
Dann, ohne Vorwarnung, mündete der Weg auf eine Lichtung. Eine grasbewachsene Fläche breitete sich vor Hal aus, die im Mondlicht grau schimmerte. Pferde schnaubten in der Dunkelheit, mehrere dampfend, als hätten ihre Besitzer sie hart geritten und wären spät eingetroffen. Hal duckte sich wieder in den Schutz der Wälder, zwang sich, ruhig zu atmen, sein hämmerndes Herz zu beruhigen. Er schloss die Augen, entbot Arn ein rasches Gebet und fügte obendrein ein weiteres an Gar hinzu. Mut und Rache – sie stellten im Mondlicht gute Begleiter dar.
Dann, als er glaubte, er könnte um den Rand der Lichtung herumgelangen, ohne unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, begann er zu ergründen. Er schlich durch die Schatten, prüfte jeden Schritt sorgfältig, versicherte sich, dass keine verräterischen Zweige vor ihm lauerten, keine herabhängenden Ranken, die an seiner Tunika, oder Dornsträucher, die an seiner Hose hängen blieben.
Es waren mehr Pferde da, als er zuerst gedacht hatte, vielleicht drei Dutzend, die unter dem Herbsthimmel scharrten. Hal erkannte drei Wächter, die um die Hütte postiert waren. Alle waren in Schwarz gekleidet, anonym und in der Dunkelheit fast unsichtbar.
Hal stellte sich vor, wie er auf sie zuschritte. Er könnte ein Passwort erfinden, darauf beharren, dass er das richtige Geheimwort kenne. Er könnte Jair heraufbeschwören, fordern, dass die Gefolgschaft des Ersten Pilgers einen der Ihren akzeptierte.
Er hatte jedoch keinen Umhang. Keine Kapuze. Keinen einzigen Freund in der sarmonianischen Enklave. Seine List würde fehlschlagen.
Seine List ist nicht gut. Bald verlässt ihn der Mut. Zurück bleibt nur Wut.
Nein!
Bevor Hal den Gesängen in seinem Geist erliegen konnte, überließ er sich einem anderen Lärm, einem dumpfen Donnern, das beim Herannahen lauter wurde. Reiter. Zwei, so wie es klang. Ja. Da waren sie, brachen von der gegenüberliegenden Seite auf die Lichtung durch. Aus Osten. Aus Riadelle.
Die Männer nahmen sich einen Moment Zeit, um Decken über ihre Pferde zu legen, bevor sie ihre schwarzen Umhänge richteten. Hal konnte selbst in dem trüben Licht die Federn an den Decken erkennen, die einzelne weiße Feder, die den Arm jeden Mannes zierte. Also waren dies Wahlmänner, Männer, die König Hamid kontrollierten. Dies waren Männer, die bewiesen, dass die Gefolgschaft ihre Klauen tief in Sarmonia hineingegraben hatte.
Crestman benutzte die Gefolgschaft. Die Gefolgschaft benutzte die Wahlmänner. Die Wahlmänner benutzten Hamid.
Hal musste sich an die Spitze dieser Kette stellen. Er musste Crestman besiegen, um Hamids Freiheit zu garantieren, so dass er Morenia helfen könnte. Aber wie sollte er einen Soldaten überwältigen, der stärker und gerissener als er war, und eher geneigt, alle Mittel zu benutzen, ob fair oder unfair?
Es gab noch eine Möglichkeit, dachte Hal, als sich eine trügerische Stille über die Lichtung senkte. Er könnte das andere Ende der Kette ergreifen. Er könnte über Crestman und die Wahlmänner hinweg direkt zu Hamid gehen.
Es war an der Zeit, sich zu offenbaren. An der Zeit, sein wahres Geburtsrecht in Sarmonia bekannt zu machen, mit Hamid von König zu König zu sprechen. Hal würde nichts damit gewinnen, in der Dunkelheit zu lauern und zu Fuß hinter Verschwörern herzujagen wie irgendein Held in einer Sage.
Er musste zu seinem eigenen Lager zurückkehren. Er würde seine eigenen Berater versammeln und ihnen seine Entscheidung mitteilen. Er würde ihren Beschwerden zuhören, ihren Ängsten, ihrer Gewissheit, dass er sich und andere in Gefahr brächte. Und dann würde er handeln. Er würde zum König von Sarmonia gehen.
Hal kroch vom Rand der Lichtung fort, an einer Handvoll trockener Zweige vorbei. Seine Brust schmerzte von seinem langen Lauf, und seine Beine zitterten wie Blätter im Wind. Dennoch richtete er sich hoch auf, als er auf den Hauptweg kam, und zwang sich zu einem schnellen Schritt.
Er war der König von Morenia, und er würde darum kämpfen, sein Land zu retten.
Kella schluckte schwer, als das Eröffnungsgebet in der heruntergekommenen Hütte verklang. Ihre Gedanken jagten belanglosen Details hinterher, denn sie wollten verzweifelt vermeiden, sich auf ihre erschreckende Umgebung zu konzentrieren.
Wie hatte der Name des alten Mannes gelautet, der hier gelebt hatte? Er war uralt gewesen, als sie ein
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